Domdechant Werner Hochheimer Kirchenstück, Riesling Erstes Gewächs 2009, Rheingau
Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Domdechant
Werner Hochheimer Kirchenstück, Riesling Erstes Gewächs 2009,
Rheingau
Was ist eigentlich ein Domdechant und
was tut der so den ganzen Tag? Wenn ich nicht so ein ungläubiger
Willhelm wäre, wüsste ich es vielleicht. Im schönen Rheingau, in
Hochheim gibt es zwar keinen Dom, wohl aber eine Weinlage Domdechaney
und ein Weingut Domdechant Werner. Also scheint so ein Domdechant vor
allem zu winzern. Oder zu trinken, was weiß ich! Das führt gleich
zur nächsten Frage: Wie mache ich das nur, mir jetzt bis zum Ende
dieses launigen kleinen Beitrags die Frage zu verkneifen, die in mir
auf der Kalauer liegt – ob man nämlich die Wernerschen Weine in
eine Karaffe dechantieren muss. Nee, aber der wäre dann doch zu
platt, oder?
Also reden wir ernsthaft über das
Weingut. Dessen Lage ist schon einmal traumhaft. Direkt über den
Hochheimer Weinbergen. Von der Terrasse kann der Herr Dechant
zwanglos in die eigenen Rebzeilen hineinspazieren, die Trauben
streicheln und sich auf den nächsten Jahrgang freuen. Seine besten
Parzellen liegen in den Hochheimer Paradelagen, in der Hölle und im
Kirchenstück, in der Domdechaney und im Stielweg. Klangvolle Namen,
das sind genau die Wingerte, aus denen der Mitbewerber Franz Künstler
seit vielen Jahren immer wieder mit die besten trockenen Rieslinge
Deutschlands auf die Flasche bringt.
Dementsprechend gehörte auch das
Wernersche Weingut vor dreißig, vierzig Jahren in die Spitze des
Rheingaus. Wer das Glück hat, mal den einen oder anderen gereiften
Restsüßen des Hauses aus den Sechzigern oder Siebzigern ins Glas zu
bekommen, wird das nachvollziehen können. Nach dieser glorreichen
Zeit kam eine etwas weniger überzeugende Phase. Den Weinen aus den
Achtzigern und vor allem aus den Neunzigern fehlte es an der
Konzentration und Tiefe, die das Hochheimer Terroir an sich
hergegeben hätte. Auch so starke Rheingau-Jahrgänge wie 2001 und
2002 waren beim Domdechant eher mager und wenig druckvoll, das waren
kein Dome, das waren maximal Kapellchen.
Tja, und wie das so ist, wenn man die
Weine eines Erzeugers immer wieder als eher belanglos empfindet –
irgendwann probiert man nicht mehr regelmäßig und verliert so ein
Weingut aus den treuherzigen Igelaugen. So gings mir mit den Werners.
Aber der Weinigel ist ja voller Güte, endgültig abgeschrieben wurde
bei ihm spätestens seit den Mathearbeiten vor gefühlt fünfzig
Jahren nichts und niemand mehr. So habe ich mir bereitwillig
einschenken lassen, als Catharina Mauritz, die Tochter des
derzeitigen Weingutsinhabers bei der letzten Weinpräsentation der
Kinkelstuben die Wernerschen 2009er und 2010er ausschenkte.
Und, Tusch, es war nicht weniger als
eine Auferstehung zu verzeichnen. Der 2010er Riesling Kabinett
trocken aus dem Kirchenstück zum Beispiel war nicht einfach nur gut,
es war nicht weniger als der beste Kabinettriesling des Jahrgangs in
ganz Deutschland. Irgendwie ist es gelungen aus diesem
„Arschjahrgang“ (Captain Cork) einen eleganten und trotzdem
druckvollen Wein zu erzeugen, einen Wein, der perfekt balanciert ist,
in dem Süße, Säure und Mineralität wunderbar miteinander spielen.
Anstatt dass, wie bei so vielen anderen 2010ern, die Säure
vierspurig über die anderen Komponenten des Weines rumpelt. Ein
Harmoniewunder also. Präzise, geradlinig, ausgewogen. Während die
meisten anderen Weine aus diesem seltsamen Jahr mehr Schlagseite
haben als ein CSU-Landbürgermeister nach der achten Maß Löwenbräu.
Umso gespannter war ich auf das Erste
Gewächs aus 2009. Sollte etwa auch dieser Jahrgang gelungen sein?
Jaha, das ist er, vor Begeisterung wären mir fast ein paar Stacheln
aus dem Pelz geschossen:
Was für ein Duft, unglaublich
ausdrucksvoll, so eine richtig schöne, opulente
Rheingau-Rieslingnase, etwas erdig, aber auch mit viel Zitrusfrucht,
Orange, ein Hauch Zitrone, dazu eine bildhübsche Mineralität, da
riecht es zwischendrin immer wieder mal wie Steinmehl im
Sommergewitter.
Am Gaumen viel, viel Druck, eine süße
Orange, reichlich Schmelz, auch ein leichter Hauch Zitrone, mit etwas
eingemachter Ananas auf dem Dachgepäckträger. Auch hier ein
kräftiger mineralischer Einschlag, der uns bis tief in den sehr
langen, wunderbar druckvollen Abgang begleitet. Ganz am Ende
verschlankt er sich ein klein wenig. Da kippt dann das Zitronige auch
ein Spürchen ins Bittere, das fällt aber angesichts der Tiefe und
der prachtvollen Saftigkeit kaum auf.
Ölig kommt er daher, und mit mehr Luft
wird er immer mineralischer. Phasenweise erinnerte er fast sogar an
die großen Gewächse aus Rheinhessen, zum Beispiel von Kühling –
wäre da nicht diese leicht erdige, würzig-fruchtige Rheingaunote
mit ihrem orangefruchtigen Schmelz. Sehr dicht gepackt, ein
Kraftpaket! Für mich der beste Wein, den ich von diesem Gut seit
mindestens zwanzig Jahren probiert habe. Das ist der Abstand zu den
Künstlers nicht mehr groß. 93 von 100 Willipunkten.
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