1999er Ornellaia, Bolgheri
Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: 1999er
Ornellaia, Bolgheri
Aufmerksame Beobachter haben mit leicht
kritischem Unterton festgestellt, dass in letzter Zeit relativ viele
Italiener auf meine kleine Hebebühne gewuchtet worden sind. Ja,
liebe Leute, das kennt man aber doch von den Italienern, das ist doch
bei deren Autos auch so, dass die überdurchschnittlich oft in die
Werkstatt müssen. Hier eine Schraube nachziehen, dort das
aufgebrochene Türschloss ersetzen, da das Haargelfach kalfatern, an
italienischen Schlitten ist immer etwas zu tun.
Italienische Produkte sind eben
störungsanfällig. Deswegen habe ich im Juni auch eine große
internationale Ornellaia-Rückrufaktion gestartet. Hat nicht wirklich
funktioniert. Nur sehr wenige Flaschen sind mir in die Weinwerkstatt
eingeschickt worden. Eigentlich nur dieser 1999er. Ich bin dann
gleich in meinen Overall geschlüpft, habe ihn aufgebockt und die
große Inspektion begonnen:
Was für eine schokoladige Nase, viel
röstige Kakaobohnen! Dazu kommt jede Menge Kaffee, das ist fast
schon ein Margauxnäschen, und der lebt nach all den Jahren auf den
ersten Schnupperer noch immer ein wenig vom Fass und vom Toasting,
ganz erstaunlich. Mit etwas mehr Luft gesellt sich eine geniale
Mineralität hinzu, das riecht plötzlich vor allem schiefrig-teerig.
Dazu ein ganz leicht floraler Hauch, so in Richtung Veilchen, das
bleibt aber wirklich nur ein pointillistischer Tupfer im
Gesamtkunstwerk.
Am Gaumen schon im Anklang etwas Tabak,
schöne Mineralität, noch ziemlich verschlossen. Deutliche, aber
sehr feinkörnige, mürbe Tannine. Ein Hauch angebratener Rosmarin,
fast schon Rosmarinöl, auch das sind aber alles nur Momentaufnahmen,
der Wein wandelt sich gerade am Anfang rasend schnell. Nach zwei,
drei Minuten drängt sich das Mineralische mit einer gewissen
Brutalität in den Vordergrund. Und hinten heraus nimmt der Druck
immer noch weiter zu. Wahnsinnig dicht, sehr, sehr komplex und
tiiiief, mit vier „i“. Fast hätte ich sogar ein fünftes mit
reingetippt und damit mein Rechtschreibprogramm in den Selbstmord
getrieben. Saftig, auch wenn die Frucht sich erst einmal noch heftig
hinter dem Tannin versteckt. Schon nach zehn Minuten wird es
grandios, weil die Mineralität die Frucht nun endlich ins
Rampenlicht lässt. Und dann wird es sofort sehr schnell richtig
rund.Betörende Fruchtsüße, die perfekt eingebunden ist in das
Gerüst von Mineralität, Würze und typisch italienischer Säure.
Pflaumig, schwarzkirschig, herrlich. Und: Man glaubt es kaum, der
legt auch nach zwei Stunden noch immer zu, und zu, und zu…
95 von 100 Willipunkten. Inspektion
ohne Beanstandung überstanden. Die Flasche kann bedenkenlos mit
Chianti Classico wieder aufgefüllt und an den Einsender
zurückgeschickt werden. Alle anderen Ornellaia-Inhaber, bitte
unbedingt die noch in Euren Kellern verbliebenen Flaschen an Willis
Weinwerkstatt schicken, die Rückrufaktion läuft weiter!
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