Leda Vinas Viejas 1999
Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Leda Vinas Viejas 1999 Vino de la Tierra de Castilla y Leon
Dass ich beim Wein schon einmal gierig bin, dürfte kein Geheimnis sein. Zur Gier gehört dabei auch die Neugier, also die Gier nach neuen Entdeckungen. Heute habe ich mir ein Fläschchen aufgebockt, mit dem diese Sehn-Sucht durchaus erfüllt werden könnte. Einen Wein, den man zwar seinerzeit 15 Monate ins neue Barrique eingesperrt hat, der das aber mit dem darin verarbeiteten Lesegut aus über 50 Jahre alten Reben und den zwischenzeitlich insgesamt fast 11 Jahren Lagerzeit ganz gut weggesteckt haben müsste. Aus Tinto Fino und aus Castilla y Leon stammt er, Leda heißt er, da schwant mir schon, das könnte etwas werden.
In der Nase noch sehr holzbetont, uff! Heftige Röstaromen, viel Kaffee. Dazu etwas Bratensaft, einreduzierter Rinderfonds. Erst ganz langsam und mit viel, viel Luft wird er etwas vielschichtiger, geht er auf und bringt eine deutlich feinere Würze an den Riechkolben.
Auch am Gaumen zunächst von den Röstnoten dominiert bis erschlagen. Viel Kaffee, ein Spürchen Kakao, edelbitter. Dann aber zwischendrin auch richtig bitter, wie überrösteter Kaffee. Kürzlich in Laos auf der Kaffeeplantage hat ein Erzeuger mir das mal vorgeführt - leichte Röstung, mittlere Röstung, starke Röstung und schließlich ultrastarke Röstung, da waren die Bohnen dann von Holzkohle mit dem bloßen Auge kaum mehr zu unterscheiden. Probiert habe ich den ultrastark gerösteten Kaffee nicht, die Gesichtsausdrücke der Mitreisenden sprachen schon Bände. Aber wahrscheinlich hätte er an den Leda in diesen ersten Minuten im Glas erinnert. Oder umgekehrt.
Zum Glück ist Holzkohle nicht alles, was der Wein auf dem Kasten hat. Man spürt gleich von Beginn an, dass er ein echtes Kaliber ist. Sehr voll, sehr prägnanter Abgang, druckvoll und ungemein lang. Aber auch im Abgang natürlich ein Festival der Tannine, selbst nach 10 Jahren auf der Flasche. Wieder mal ein Wein, wo man sich unwillkürlich fragt, warum so viel Holz sein muss.
Aber, leck mich an den Stacheln, nach einer Stunde an der Luft wird das Zeug plötzlich weicher und runder. Als hätte man eine dicke Paranuss im zehnten Anlauf mit dem altersschwachen Nussknacker doch noch geknackt. Sicher, da ist noch immer ein leicht bitterer Hauch. Doch das Arsen verzieht sich schrittweise und macht Platz für das Spitzenhäubchen von feingliedriger Würze und sattem, durchaus auch fruchtbetontem Extrakt. Und mit noch etwas mehr Luft schält sich dann fast etwas Bordelaisiges heraus, eine satte Mineralität, noch ein wenig mehr schwarze Frucht, fleischige Noten, sogar eine gewisse Eleganz. Wenn dieser leicht penetrante bittere Röstton im Hintergrund doch bloß noch ganz wegginge, dann wäre es ein richtig großer Wein.
Vorne 96, hinten 86 Punkte, im Mittel 91, wäre ich versucht mathematisch festzulegen. Doch damit machte man es sich zu einfach. Wein kann man nicht ausrechnen. Also die zweite Hälfte der Flasche in die Karaffe, einen Tag warmstellen, gut umrühren, nachverkosten. Na ja, er ist natürlich am zweiten Tag noch ein wenig runder, der Kaffee wird weicher – Arabica statt Robusta. Andererseits erscheint der Wein dadurch auch etwas, hmm, „dünner“ wäre die falsche Vokabel bei so einem Kraftmeier. Also sagen wir mal „weniger voluminös“. Dennoch: Eine tolle Länge, ungemein mineralisch, noch viel saftiger als am Vortag, wunderbar dicht. Könnte fast auch ein Las Cases sein – vielleicht ein geeigneter Pirat für eine Blindprobe dieses Weinguts. Obwohl er auch so etwas Teerig-Asphaltiges hat wie ein gut gereifter, mächtiger Brunello.
Die Nase entwickelt sich jedenfalls immer ansprechender, kommt mit Luft selbst am zweiten Tag immer noch weiter. Eine geniale Mischung aus Mineralität und Würze. In der Form 94 von 100 Willipunkten, zumal die Bitterkeit des Vortages kaum mehr zu erahnen ist. Daran hätte ich 24 Stunden zuvor nicht geglaubt. Man muss einfach Geduld haben mit dem Zeug. Und es am besten schon einen Tag vor dem Trinkgenuss karaffieren.
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