Zu Gast bei Pichon Longueville
Weh-Weh-Weh
Willis Hausbesuche
Heute zu Gast auf Château Pichon
Longuewilli Baron
Château Pichon
Longuewilli Baron
Konstantin hat es schon immer gewusst.
Konstantin, die Älteren erinnern sich noch, der mit der
großvolumigen Stimme, dem kraftvollen Klavierspiel und dem frisch
gepuderten Näschen. Konstantin, die personifizierte
Empörungsindustrie, benannt nach dem Wecker auf den einem die
verschwurbelte Betroffenheitslyrik und der anhaltende
Sozialpessimismus nach einer Weile fast zwangsläufig gehen müssen.
Aber er hat es gewusst, der Konstantin. Vielleicht hat er es auch ein
wenig herbeigeknödelt? Nein, da überschätzt man ihn wohl, es hätte
eigentlich auch ohne ihn kaum anders kommen können. Nach zehn Jahren
Euro und alternativlos zusammengemerkelten Rettungsschirmen, nach
zwanzig Jahren Lafontainschen Protests gegen die Wiedervereinigung
und ihre Kosten – gipfelnd darin, dass der gute alte Saarländer
sich nach einer Karriere als Fabeldichter in der französischen
Aufklärung dann doch noch zum Parteivorsitzenden einer im
Wesentlichen ostdeutschen Partei hat küren lassen. Da konnte es
nicht mehr anders kommen. Nachdem Siggi Gabriel sich so lange zum
Ochsenfrosch aufgepumpt hat, bis die grüne Betroffenheitsmafia ihm
einen eigenen Krötentunnel gegraben hat. Nach Guidomobilmachung,
Ulla Schmidt, Popofalla, Christian und Patrick Lindner, nach Hartz
Sex im Puff von Barzel-ona, Kopperschen Peanuts und den Nüssen auf
die uns Machwerke wie die Lindenstraße seit dreißig Jahren gehen.
Im Hintergrund bei alledem immer das Klaviergeschrammel und die
Empörungslyrik von Konstantin im Ohr. Und dann, irgendwann, ganz
plötzlich, ist es soweit: REVOLUTION! Liberté, Egalité, EZB. Auf
die Barriqueaden, Bürger!
Auf sie mit Gebrüll, auf die Vertreter
des ersten und des zweiten Standes. Die Premiers Crus und die
Deuxiemes! Bringt sie auf die Williotine, brecht Ihnen den Hals! Und
glaubt mir, Ihr mit verdächtig an Bischofskäppis erinnernden roten
Kapseln gekrönten Häupter, der Weinigel wird es bei der bloßen
Polemik nicht belassen. Er wird eifrig mithelfen, zum Beispiel den
Baronen ans Leder zu gehen. Also jetzt nicht denen, die ohne Furcht
und Adel ihre Doktorarbeiten abkupferten, nein, es geht um die Barone
aus dem Médoc, aus den Ländereien derer zu Longuewilli.
Weinwilli mit Baronen
und Williotine
Mit einigen gestandenen Revoluzzern
hatte ich mich zu einem konspirativen Treffen in Bielefeld begeben,
wo gleich ein ganzes Rudel Barone zur Vernichtung anstand.
Mit dem 1997er ging es los:
Zugängliche, eher leichte Médocnase, brombeergie Frucht mit
deutlich cabernetig-mineralischem Einschlag, ein wenig staubig
anmutend, eine Spur dumpf. Am Gaumen etwas unrund, ziemlich
stechender Grünton und leicht stalliger Einschlag. Paprika, steht
stark auf dem Cabernet, wenn auch einem ein wenig unreifen,
grünlichen Cabernet. Leicht medizinaler Ton, etwas dünn, insgesamt
aber noch recht jung und frisch für den vergleichsweise kleinen
Jahrgang. Was nachhaltig stört ist der Bitterton, der gerade hinten
heraus sehr deutlich im Vordergrund steht. 81 von 100 Willipunkten.
Empört Euch! Zum Beispiel über die
Verblödung der Achtziger mit Bimbes-Helmut und Bum-Bums-Boris, mit
den lästigen Musikanten, seien es die Halbestädter Hirntoten, die
Crimmittschauer Kinderschänder oder die Treuenbrietzener
Transentätschler. Da hilft nur noch der Furor der Revolution! Als
nächstes holte der Scharfrichter den 1993er Baron aufs Schafott.
Deutlich vielfältigere Nase als der 1997er, auch dieser Jahrgang
aber leicht stallig angehaucht. Dazu eine kräftige teerig-granitige
Mineralität und eine gute Portion schwarze Frucht. Am Gaumen recht
rund, schön harmonisch, das Tannin gut abgeschmolzen und gerundet.
Schöner Schmelz, Anklang von schwarzer Johannisbeere, es fehlt
vielleicht ein klein wenig an Fruchtsüße, an Tiefe und Fülle, da
merkt man den kleineren Jahrgang dann doch. Aber für einen 1993er
durchaus gelungen, zumal er mit etwas mehr Luft noch ein Spürchen
mehr Fruchtsüße aus dem Kellerverlies nach oben wuchtet. 83 bis 84
von 100 Willipunkten.
Bourbonen? Ist das der Plural von
Whisky? Und welches Land wird’s eigentlich durch Hiobs Botschaft
diplomatisch vertreten? Das können wir nicht mehr länger
tolerieren! Empört Euch! Weiter im Text des revolutionären
Manifests. Mit dem 1994er Baron. Verhaltene Nase, aber recht fein,
Holunder, Flieder, weitere undefinierbare florale Töne, kühle, fast
kreidige Mineralität, ganz leichtes Lösungsmittel, mit mehr Luft
tritt eine fleischige Würze mit auf den Plan. Am Gaumen
piemontkirschige Frucht, dezente Süße, etwas jahrgangsstypische
Strenge, hinten heraus eine Spur bitter. Insgesamt ein Mittelgewicht
mit viel fruchtsüßem Charme und einem ungewöhnlichen, leicht
pfefferminzigen Ton im Abgang. Mit mehr Luft findet sich der Holunder
aus der Nase plötzlich auch am Gaumen wieder. Und, ja, das Ding
wirkt fast noch ein wenig verschlossen, Donnerwetter, der könnte
eventuell noch leicht zulegen. 84 von 100 Willipunkten.
Sturm auf die Destille? Da stehen wir
an der Robespierrespitze der Bewegung. Abs-olutismus – benannt nach
dem ehemaligen Chef der deutschen Bank? Nicht mit uns, da berufen wir
nicht nur die Generalstände ein, sondern gleich auch noch die
Reserve du Général. Wir lynchen den Bages und knöpfen uns dann,
als kleine Piratin die Pichon Longuewilli Comtesse aus 1994 vor.
Verhaltene Pauillacnase, ein wenig stumpf, ein wenig herb und eine
Spur eukalyptisch, das verspricht nicht sehr viel. Am Gaumen aber
überraschend viel Schmelz, schön eingebundenes, sehr weiches
Tannin, fast nichts von den austeren Verheißungen der Nase
materialisiert sich hier. Ungemein harmonisch und balanciert, feine
rote Frucht, schöne Länge, auch im Abgang noch sehr druckvoll,
bleibt lange, fast ohne trocknend zu wirken, ohne Strenge. Eine
typische, süffige Comtesse, guter Erfolg für den mittleren Jahrgang
und klare Siegerin gegen den Baron.
Alle Gewalt geht dem Volker aus. Dem
Kauder also. Kein Wunder, der Mann kommt aus Baden-Württemberg, der
muss Trollinger trinken. Wir haben Bordeaux und die geniale Küche
von Claudette, die Revolution frisst Ihre Rinder! Und entkorkt den
1981er Baron. Leicht bis deutlich stallige Nase, das zieht sich nun
schon leitmotivisch durch die Barone, auch ein wenig medizinal, ein
Willigramm Fleischwürze schwingt auch noch irgendwo mit. Auch ein
leichter Orangenton lässt sich im Riechkolben feststellen, der kommt
von der Reife, allerdings ists nur ein Hauch, der Nase nach sollte
der Wein noch sehr lebendig sein. Am Gaumen ist es der erste Baron
mit einer richtig schönen Fruchtsüße, ein wenig orangerote Frucht,
manchmal fast marmeladig wirkend, dann wieder kühlere, dunklere
Aromen, Rumpflaume, Schwarzkirsche, schwarze Johannisbeere. Sehr
schöne Länge, der hat fast mehr Sitzfleisch als der oben erwähnte
Bimbeskanzler. Durchaus auch mit Tiefe unterwegs, wenn auch nicht der
opulenteste und dichteste, aber schön nachhaltig, er bleibt im
Abgang lange aufrecht stehen. Noch sehr lebendige Säure, für diesen
mittleren Jahrgang ein toller Erfolg. 89 von 100 Willipunkten.
„Was macht das bitte in Schilling?“
Hieß es früher bei Dalli Dalli. In unserer Zeit dürfte bald wieder
die Frage erlaubt sein, was das denn bitte in Assignaten macht. Der
blanke Hans mit dem phimotischen Eichelgesicht über dem stets zu
engen Kragen hat die Sache mit dem Euro ausgeheckt – a propos Heck,
Dieter-Thomas wäre allein Grund genug für eine eigene Revolution
gewesen, was waren wir doch langmütig in den Siebzigern! – dann
hat Wolfgang der Erste mit viel Clemence die Sache noch ein wenig
weiter aufgeweicht, Steinbrück stoned die Griechen mit
hineingelassen, ehe Wolfgang der zweite noch ein Schäuble
draufgelegt und mehr Rettungsschirme gefaltet hat als Joschka Fischer
Dackel für sein Ponem. Empört Euch! Also schaltet auch die
Williotine auf Akkord und enthauptet uns als nächstes den 1959er
Baron. Ganz leicht rumtopfige Nase, sehr schöne, fleischige Frucht,
noch erstaunlich frisch, ausgeprägte, lebendige Mineralität, sehr
vielversprechend. Am Gaumen viel Würze, Fleischextrakt, typische
Tertiäraromen, eine pur orangerote Frucht, die wird mit Luft sogar
noch etwas kräftiger. Griffiges Fleisch, tolle Textur, sehr gute
Fülle und Länge, bleibt fast ewig. Sehr feine steinmehlige
Mineralität, perfekter Holzeinsatz, der Wein konnte über mehr als
fünfzig Jahre wunderbar reifen, großartige Balance. Nur ein Manko
hat er: Erstaunlich leicht wirkt er, so als sei er auch in der Jugend
schon kein Schwergewicht gewesen. Aber er bleibt lang am Gaumen,
trotz aller Leichtigkeit fehlt es ihm nicht an Persistenz. So
schrammt er knapp an der 90 vorbei. 88 bis 89 Willipunkte.
Jahrgang 1959 (links im
Bild)
Flucht aus den Tuilerien, in der
Kutsche nach Varennes. Kutschenverkehr… Da stehen wir heute fast
schon wieder, wenn die Ökopaxe gleichermaßen gegen Bahnhöfe und
Autos andemonstrieren. Warum nicht gleich die gute alte Sänfte
wiederbeleben? Danton Aligheris göttliche Komödie war ja nichts
gegen den Pietkong im Schwäbischen, der lieber Krötentunnel als
Bahnhöfe beerdigen möchte und Stromtrassen bestenfalls zur Fliege
Riesenhubers niemals aber zu den Windrädern im Watt dulden mag.
Haben wir eigentlich genug Strom, um die Windräder bei Windstille
antreiben zu können? Empört Euch! Und so geht der Meuchelmord an
den Baronen weiter, als nächstes muss der 1995er dran glauben!
Eukalyptisch-minzig Nase, als hätte man den Stoff in amerikanische
Eiche und nicht die guten alten Bretter aus Nevers und Umgebung
geschlichtet. A propos schlicht – was macht heute eigentlich der
Scharping, außer das Doping im Radsport zu beaufsichtigen? Aber ich
lenke ab. Zurück zum Baron! Der wirklich so viel Eukalyptus hat, als
hätte man zwei vollgefressene Koalas hineinpüriert. Daneben hat er
leider auch eine kleine Pattexfahne, so eine ganz leichte
Lösungsmitteltrikolore. Braucht kein Mensch! Am Gaumen noch eine
Spur verschlossenes Tannin, sehr heftige, fast deftige Mineralität,
leicht teerig und zugleich auch ein wenig teeig, das heißt neben der
sehr mundfüllenden Fruchtsüße auch ein wenig wie getrocknete
Blätter. Maulfüllend, sehr dicht, fast krawallig, etwas zu
„gemacht“ vielleicht, zu international, da hat man den Stil des
Hauses in der Zwischenzeit (also nach dem 1993er und dem 1994er)
angesichts des wesentlich kräftigeren Jahrgangs offenbar deutlich
geändert. Dafür ist vom Stall hier mal nichts zu spüren. Oder noch
nicht? Gute Länge, durchaus voll und mit Tiefe unterwegs, aber mir
zu sehr im Mainstream und zu wenig charaktervoll, um an diesem Abend
in der Spitze mitspielen zu können. 87 von 100 Willipunkten, mehr
geht da nicht.
Assad – die erste Silbe verstehe ich
ja noch, ich kann ja Englisch. Aber –ad? As in Advertisement? Eine
Anzeige für nen Arsch? Wenn den mal endlich einer anzeigen würde!
Unerträglich der Typ. Aber irgendwie nix gegen Kurt Beck, oder? Der
sitzt das Rheinland und die Pfalz noch breiter als der dicke Helmut
seinerzeit. Hambacher Fest hin oder her. Da lobe ich mit die
Jakobiner. Jakob Kaiser zum Beispiel. Ohne Hosen unterwegs, aber mit
Arsch in den fehlenden Hosen (sansculotten), also irgendwie das
Gegenteil vom Beck-Kuddel. Und warum fällt mir da wieder der alte
Münchner Zweizeiler ein: Auch der Eunuch der Hodenlose, kauft sich
beim Frey die Lodenhose? Egal, weiter im Text, ran an den 1992er
Baron, gerade einmal 1999 Jahre nach dem Tod von Hugo Capet gelesen.
Kaffee pur in der Nase, dazu, man glaubt es kaum, Fenchel, leider
auch wieder ordentlich Stall, dann Speck, Rauch und ein kleines
Haucherl Aceton, wobei ich nicht sicher bin, obs eher in die Richtung
Pattex oder Uhu geht. Am Gaumen Kohle, bitter, erinnert fast an
Pinotage, so anstrengend ist dieser Bitterton, viiiiel Tanin, und das
nach 20 Jahren, nee, also wissense, also nee! Hohe bis sehr hohe
Säure. Kommt mit Luft zum Glück noch ein wenig, wird fruchtiger,
bleibt aber bitter und eine Spur dünn. Insgesamt wirkt er fast ein
wenig dornfeldereresk, recht angestrengt und vor allem anstrengend.
So um die 81 von 100 Willipunkten.
Rouget de Lisle, also wörtlich
übersetzt die Rotbarbe von der Insel, hat die Marseillaise
geschrieben. Aux armes citoyens, zu den Waffeln, Bürger, das spricht
auch die Belgier an. Die herzlich eingeladen sind, bei der
Gelegenheit das Berlaymont in Brüssel zu stürmen, wenn schon
revoluzzen, dann auf jeden Fall auch am Geburtsort der
Rettungsschirme. Auch wir in Bielefeld spannten gleich den nächsten
Rettungsschirm gegen den Durst auf und köpften den 1996er Baron.
Schon wieder dieser Stall in der Nase, dazu eine kleine
Karamellfahne, etwas Herbstlaub, sehr ungewöhnlich für einen so
jungen Wein, und ein ganz leicht oxidativer Einschlag. Oha, da waren
wir nicht sonderlicht optimistisch, was den Gaumen anging. Aaaaaber,
es kam ganz anders. Viel Tannin war zu verzeichnen, doch kein grünes
Tannin, sondern strammes, weiches Tannin, das den Wein über die
nächsten zwei Jahrzehnte zu einer wahrscheinlich wunderbaren Reife
und Harmonie transportieren wird. Also mürbes Tannin, das kommt
noch, das entwickelt sich schon im Glas mit der Luft ganz exzellent.
Viel Stoff, opulente Frucht, noch ein wenig verschlossen, na klar,
Pflaume – und da meine ich nicht den Kai, die Zonenpflaume, die auf
die Schwester Oberin wahrscheinlich stark zölibatsfördernd wirkt.
Nee, die Pflaume aus dem Zwetschgenröster, der über das Vanilleeis
gehört, die meine ich. Dann kräftige Mineralität, dicht,
erstaunliche Tiefe, ungemein viel Substanz. Macht enorm viel Freude,
tolle Länge, große Zukunft. Heute schon 90 von 100 Willipunkten,
sollte in zehn bis fünfzehn Jahren noch mindestens zwei Punkte
zulegen können.
Die Schreckensherrschaft des
Wohlfahrtsausschuss – klingt nach absoluter Mehrheit für die
Grünen, oder? Irgendwo zwischen gut gemeint und gut gemacht purzelt
dem Parteivolk dann die Christbaumkugel Claudia Roth über den Weg
und verströmt eine Betroffenheit, die nur mit Besoffenheit zu
kontern ist. Also özedemirnix, özededirmix ran an den nächsten
Baron, den 1998er. Sehr harmonische Nase, Minze, Kräuter, wobei –das
sind keine grünen, frischen Kräuter, das sind angeröstete Kräuter,
in einem guten Olivenöl in der Pfanne sorgfältig gewärmt und zur
geschmacklichen Eskorte einer Lammschulter vorbereitet. Auch ein
leicht laktischer Ton ist im Duft dabei. Insgesamt wirkt das fast
eine Spur zu gefällig. Auch am Gaumen sehr harmonisch und fast ein
wenig oberflächlich. Sehr mürbe Frucht, asphaltige Mineralität.
Sehr harmonisch, samtig, ganz reife, mürbe, ungemein wiche Tannine,
jetzt fast voll auf dem Punkt. Feine Rotfruchtigkeit, aber im
Verhältnis zur Mineralität eher im Hintergrund. Große Harmonie,
tolle Länge, es fehlt nur ein wenig an Dicht – und Potenzial nach
oben hat dieser Tropfen auch nicht mehr. Jetzt trinken! 89 von 100
Willipunkten.
Sinnbild der Revolution ist ja die
Marianne. Zum Glück damals noch ohne Michael. Sonst wäre es noch
blutiger geworden. Später haben dann der Reihe nach die Deneuve und
Leckertitia Casta Modell für die Marianne gestanden, was in den
französischen Culotten zu einer levée en masse geführt hat, ganz
ohne Viagra. Aber davon später mehr, jetzt erst einmal zum 1999er
Baron. Medizinale Nase, und wenn ich medizinal sage, dann meine ich
hier wirklich Apotheke, wenn man reinkommt links, der Duft der
verschreibungspflichtigen Medikamente. Dazu Laub und Unterholz,
Waldpilze, leck mich an der culotte, das ist ja fast burgundisch, die
spinnen die Pauillacer. Am Gaumen dann orangerote Frucht, recht
mineralisch, schöne Fülle, leicht konfitierte Frucht, etwas
Paprika, hier erscheint mir der Kamerad dann doch wieder deutlich
bordelaisiger als in der Nase. Mit mehr Luft wird er etwas rumtopfig.
Gute Länge, durchaus bis tief in den Abgang mit Fülle und Dichte
unterwegs, kommt mit der Luft sehr schön, tolle Mineralität, sehr
dicht bis tief in den Abgang. 89 bis 90 von 100 Willipunkten.
Barone 1999 bis 2001
Kann man das noch toppen? Na ja, in der
Revolution eigentlich eher nicht. Richtige Grandeur kam ja erst
wieder auf, nachdem Napoleon den müden Revolutionsladen übernommen
hat. Nur leider ist außer dem Herrn Spritzbrunnen aus dem Saarland
niemand zu erkennen, der das nötige Ego für das Konsulatentum auf
Lebenszeit mitbrächte. Außer vielleicht dem 2000er Baron. Eine
unglaublich volle Nase hat der, Teer, Mineralität ohne Ende, dazu
Fleischextrakt, beef jerky, dunkle Brombeerfrucht, das Ganze
regelrecht brechstangig, Windstärke 12 am Gaumensegel! „Sie müssen
ihn unter die Zunge kriegen“, empfiehlt Loriot, und das ist bei
einem so fetten Wein nicht einfach. Unglaublich vielschichtig im
Geschmack, charmant, rotfruchtig ohne Ende, dabei soooo voll und so
dicht – und trotz der noch deutlich wahrnehmbaren Tannine auch
ungemein charmant. Großartige Länge, bis tief in den Abgang hinein
sehr ausdifferenziert, saftig, lang, konzentriert und so solide wie
ein Granitblock. Heute schon 92 von 100 Willipunkten und jede Menge
Potenzial für mehr.
Und so sind wir am Ende des
Revolutionszyklus angekommen. Der Wecker Konstantin krönt sich
selbst zum Kaiser, mal sehen, was der Weinkaiser dazu sagt – ist
doch sein ius primae noctis bei den Weinköniginnen urplötzlich in
Gefahr. Egal, wir verleiben uns den 2001er Baron ein, der, man glaubt
es kaum, dem hochgelobten 2000er kaum nachsteht. Volle Nase, wieder
mit Liebigs Fleischextrakt unterwegs, ein wenig auch mit Gewürzen,
Pfeffer, Nelken, etwas Kardamom. Am Gaumen dominiert die fleischige
Würze, untermalt mit Kaskaden von dunkler Frucht, sehr harmonisch,
sehr voll. Großartige Länge, bis tief in den Abgang ungemein voll
und differenziert. Schon eine Spur weiter als der 2000er, aber das
ist marginal. Vielleicht hat er auch nicht ganz das Potenzial, heute
steht er aber auf der selben Stufe und bekommt ebenfalls 92 von 100
Willipunkten, wohl mit einem Hauch weniger Potenzial für die
Zukunft.
1995er Yquem, der erste
Stand muss dran glauben
Wenn das Volk kein Brot hat, muss es
eben Kuchen essen – sagt Marie Antoinette. Und, was soll ich sagen,
recht hat sie, nachdem uns das baronige Brot ausging, haben wir noch
ein wenig Kuchen zu uns genommen, ein Gläschen Yquem. Ein Dank dem
edlen Spender!
Es war ein eindrucksvoller Abend, ich
habe am Ende beschlossen, jetzt voll auf Revolutionär umzuschulen.
Die Strecke mag belegen, wovon ich rede.
Kommentare
Und ich weiß nicht, ob ich mich jetzt mehr darüber freuen soll, von dem 2000er noch 'ne Kiste zu haben oder eher darüber ärgern, dass ich gar keinen 2001er habe.