Weingut Heymann-Löwenstein
Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche
Heute: Weingut Heymann-Löwenstein
Hui, der Peer! Sitzt mit versteinbrückter Miene bei Herrn Jauch im Gasometer und wehrt sich tapfer gegen alle Versuche, Konkreteres über seine Nebeneinkünfte in Erfahrung zu bringen. Überhaupt, wie kann man bei gefühlt mehreren Millionen Vortragshonorar noch von Nebeneinkünften sprechen? Üblicherweise indiziert doch das Präfix „neben“, dass es da noch eine deutlich größere Hauptsache gibt? So ist es zum Beispiel mit den weitgehend nutzlosen und überdies entzündungsanfälligen Nebenhöhlen im Schädel, die kleiner sind als die höchst nutzbringende Haupthöhle, die einem die Zufuhr so wertvoller Stoffe wie Atemluft oder Riesling ermöglicht. So scheint es dann auch mit den Vorträgen vom Peer zu sein. Die bringen das Haupteinkommen, machen ja auch die Hauptarbeit – denn Vorträge hat er seit der letzten Bundestagswahl deutlich über achtzig gehalten, Bundestagsreden wohl nur vier. Die Vorträge sind also die Hauptsache, das Abgeordnetenmandat die Nebentätigkeit. Das will er als Politiker nur vielleicht nicht so an die große Glocke hängen.
Beim Jauch hat der Peer dann auch noch sein Wahlprogramm erläutert: Den Spitzensteuersatz will er erhöhen und wieder eine Vermögensteuer einführen. Man merkt, da trainiert einer schon darauf, wieder Finanzminister unter Frau Merkel zu werden. Aber, Mensch, Steinbrück, bei all diesen Reichensteuern, da bist Du mit den Vortragsmillionen doch dann selbst Dein bester Kunde!!?? Dann reicht es am Ende doch nur wieder für den Golf mit der Holzbank. Wusste ich übrigens gar nicht, dass VW den im Programm hat, ich dachte, die hätten nur unwooded, ganz wie mein Weißweinkeller. Aber wahrscheinlich rechnet sich das für die Wolfsburger, wenn der Bankenrettungsschirm vom Peer dann auch auf Holzbanken ausgedehnt wird.
Aber mal ganz von der Frage abgesehen, in welcher Sänfte sich Peer später einmal als demokratisch gewählter Vizekanzler durchs Land tragen lassen will, möchte ich doch noch einmal kritisch anmerken, dass mir nicht ganz klar ist, was eigentlich eine Vermögensteuer soll. Die hat doch ihre volkswirtschaftliche Kontraproduktivität längst bewiesen und wurde mir Recht 1997 abgeschafft. Wie wäre es stattdessen denn mal mit einer Unvermögensteuer? Da wären dann neben Peer auch die meisten anderen Politiker mit bei den Einzahlern. Da käme viel mehr bei herum.
Wie dem auch sein und egal, ob der Mann am Ende aus Versehen doch Kanzler wird oder nur Finanzminister, es wird gefährlich für unser Geld. Wir sollten es schnell in unauffälligen Werten anlegen, die bei den Vermögensteuereintreibern nicht so auf dem Radar sind. Zum Beispiel in Wein. Vor diesem Hintergrund trafen sich dieser Tage einige handverlesene Experten, um wieder einmal der Alterungsfähigkeit der Rieslinge aus dem Hause Heymann-Löwenstein auf den Grund zu gehen. Ehe man das Geld in die Schweiz trägt…
Anknüpfungspunkt war die große Uhlen-Probe, die wir fast auf den Tag genau drei Jahre zuvor in den Katakomben der Kölner Seilschaft abgehalten hatten. Und natürlich haben wir uns damals auch Urteile über die Alterungsfähigkeit der Uhlens erlaubt. Mal sehen, ob wir Recht behalten haben. Um die Sache etwas spannender zu machen, wurde blind verkostet. Und es waren Piraten mit an Bord, so dass die Runde nicht einmal wusste, ob nun ein Löwenstein-Wein im Glas war oder nicht. Da von allen Weinen etwas übrig geblieben war, konnte ich am zweiten Tag noch einmal nachverkosten.
Den Anfang machte der Uhlen Roth Lay aus dem Jahr 2002. Schöne Nase, kandierte Aprikosen, etwas Schiefer, schon sehr reif. Honig, eine Spur getrockneter Tabak, wirkt vom Duft her wie ein deutlich älterer Wein, eine restsüße Auslese aus den Siebzigern vielleicht. Am Gaumen ebenfalls recht süß, deutlich halbtrockene Anmutung, ein Hauch Botrytis, Karamell, Honig, Malz, eine zarte Aprikosenfrucht. Relativ dicht und auch mit ordentlich Länge unterwegs. Irgendwie fehlt es ihm aber an Tiefe, an Spiel, an Druck. 83 bis 84 Punkte. In der Nachprobe am zweiten Tag bestätigt sich das weitgehend, stand noch immer sehr auf der tabakigen Note, sogar etwas kalter Rauch schmeckte durch. Allerdings haben sich zum Honig am Gaumen dann auch noch ganz feine Noten von Mandeln und ein rosiniger Ton gesellt. So machte er mir dann ein klein wenig mehr Freude als am Vortag. Kratzt vielleicht sogar an den 85 Punkten. Aber natürlich war das trotzdem eine Enttäuschung, zumal wir ihn vor drei Jahren noch bei 90+ Punkten gesehen und geschrieben hatten: „Unglaublich jung. Braucht Luft und idealer Weise noch einige Jahre Reife.“ Tja, sollten wir uns damals wirklich so reichlich getäuscht haben? Ich hatte die Vermutung, dass wir diesmal vielleicht eine nicht so ganz optimale Flasche erwischt haben könnten. Und jubelte der Runde sieben oder acht Weine später einen zweiten Uhlen R 2002 unter. Natürlich auch verdeckt. Aber leider mit demselben Ergebnis.
Aus 2003 kam der nächste Wein, aber nicht von den Löwensteins, sondern aus dem Lubentiushof, die Uhlen Spätlese. Eine Spende der Barths, ganz herzlichen Dank! Schon sehr gereifte, firnige Nase, kräftiger Kräuterduft, Waldmeister, etwas Minze, dazu ein erster petroliger Hauch. Am Gaumen ausgeprägte Süße, viel Saft, auch hier kräutrige Noten in Hülle und Fülle, ohne dass das aber floral, grün oder gar bitter wirkte, wie so viele Weine dieses schwierigen Jahrgangs. Recht viel Saft, mittlere Länge, wirkt etwas breiter als er tatsächlich ist, weil ihm jahrgangsbedingt ein wenig die Säure fehlt. Trotzdem für 2003 ein guter Erfolg. 83 Punkte aus der Runde. Am zweiten Tag fragte ich mich, ob wir dem Wein nicht Unrecht getan haben, er wirkte weniger breit, die Frucht kam etwas stärker hervor. Und gerade auch im direkten Vergleich mit dem Uhlen R 2002 von den Löwensteins war es keineswegs der schlechtere Wein. Klar, das ist eine andere Stilistik, der Barthsche Uhlen bringt auch mehr Süße mit, dennoch überzeugte er mich deutlich stärker als am Vortag. Ich erhöhe für mich auf 85 Punkte.
Als nächstes gab es den Uhlen alte Reben 2005 vom Lubentiushof. Schöne Terrassenmoselnase, schiefrige Mineralität, Kräuter, Honig, leicht briochig, ganz zarter botrytischer Einschlag. Am Gaumen saftig, beachtliche Fülle, herrlich aprikosige Frucht, feine Süße, erste leichte Firne, sehr gut gereift, bleibt insgesamt etwas schlank, das aber sehr lang, sehr geradeaus. Kommt mit Luft immer besser, wird fast ein wenig buttrig und deutlich voller im Abgang. Tolle Balance zwischen Süße und Säure, bringt auch eine leichte Salzigkeit mit, die ihn noch einmal interessanter macht. 88 bis 89 Punkte aus der Runde. Am zweiten Tag unverändert, obwohl nur noch ein kleines Restchen in der Flasche verblieben war – das spricht für die Langlebigkeit dieses Weines.
Weiter ging es mit dem Uhlen Roth Lay 2005. Sehr intensive Nase, Flankt aus dem Glas direkt in den Riechkolben. Konfitierte Aprikose, etwas mürber Apfel, weiche Mineralik, extrem harmonisch, ohne deswegen unter einem Mangel an Tiefe oder Komplexität zu leiden. Ich rieche minutenlang nur und wundere mich, dass um den Tisch herum eine kleine Mäkelei beginnt. Doch die anderen hatten ihn schon am Gaumen, und, das muss ich zugeben, da hielt er nicht alles, was diese wundervolle Nase versprach. Leichte Firne im Anklang, dann viel Aprikose, eine Spur Grapefruit ist auch dabei und natürlich ein Pfund Schiefer. Leider sticht der Alkohol ein wenig. Einige hielten den Wein auch für bitter, ich vermute aber, dass sie eigentlich auch den etwas bissigen Alkohol meinten, denn Bitterkeit konnte ich partout nicht feststellen. Mit mehr Luft kommt auch noch ein kräuterwürziger Ton heraus, irgendwo zwischen Minze und Pfefferminze, ein leichter Karamell und etwas Honig gesellen sich dazu, durchaus komplex, das Ganze, sehr voll, schöne Würze, aber nicht so harmonisch wie in der Nase. Deswegen von mir „nur“ 88 Punkte, was deutlich neben der Wertung der Runde lag, die mit 83 bis 85 Punkten wertete. Am zweiten Tag gefiel er mir sogar noch etwas besser. Die Nase war zwar vielleicht nicht mehr ganz so intensiv, aber noch immer voll, ausdrucksstark und so wunderbar harmonisch. Und am Gaumen gab er sich deutlich runder, auch wenn der alkoholische Stich natürlich nicht verflogen ist. Es war am Ende der Nachprobe am Ende der eigentlichen „Arbeit“ jedenfalls die Flasche, aus der ich mir als erstes nachschenkte und die als erste leer war. Ich erhöhte folgerichtig sogar auf 89 Punkte. Womit er noch immer deutlich von den 97+ bis 98 Punkten entfernt war, die wir ihm vor drei Jahren zugemessen hatten. Damals schrieb ich „Noch immer sehr, sehr jung“ und der Weinkaiser erhöhte: „Wird in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren mit dem 2004er Uhlen den Wettbewerb bestreiten, bester je produzierter Uhlen zu sein“. Nee, eher nicht. Tja, ich habe irgendwo mal geschrieben, man könne Sam Hofschuster nichts Schlimmeres antun, als ihm einen vor Jahren von ihm verkosteten Wein vorzusetzen und begleitend seine Verkostungsnotizen vorzulesen. Das gilt erst recht für andere Verkoster wie den Weinigel. Die Weine machen einfach nicht das, was man gesagt hat, das sie tun werden. So eine Übung macht demütig. Bin ich froh, dass meine Prognoseergebnisse bei den wirklich trockenen Rieslingen und erst recht bei den großen roten Bordeaux deutlich belastbarer sind als bei diesen verflixten Löwensteinen.
Also lieber schnell weiter mit dem Uhlen Roth Lay aus 2006. Fruchtbetonte Nase, die aber auch viel Würze mitbringt. Eine likörige Aprikosenfrucht im Gravitationszentrum, um die herum Kräutertöne und interessante Gewürznoten kreisen. Fast ein wenig Lebkuchenbäckerei, da ist so etwas wie Kardamon mit drin, ein Spürchen Zimt vielleicht auch. Mit Luft kommt noch etwas Melone und ein Hauch Zitrus zu der Aprikose, die aber Leitmotiv bleibt. Am Gaumen nur ein ganz klein wenig jahrgangstypisch. So wenig, dass ihn blind nur einer am Tisch nach 2006 gesteckt hat. Also nur ein Anflug von Botrytis, das hätte ich heftiger erwartet, gerade weil ich die Schieferterrassen und die Schieferterrassen alte Reben kenne, die aus ihrem Jahrgang keinerlei Geheimnis machen. Pikant, animierend, voll, was für ein 2006er!!! Die Süße und die Mineralität stehen in einem geradezu elektrischen Spannungsverhältnis. Kühl, blitzsauber, große Länge, dabei ungemein saftig. Eine tolle Überraschung. 92 bis 93 Punkte aus der Runde, da waren wir uns einig. Lässt auch am zweiten Tag kein Stückchen nach. Ein ziemliches Monument, von dem ich allerdings keine Flasche trinken würde, da bräuchte ich zumindest noch die beste Igelin von allen zur Unterstützung, so voll und wuchtig kommt er daher. Noch immer klare 93 Punkte. Und damit zwei Punkte mehr als wir ihm vor drei Jahren verpasst haben. Damals haben wir ihm Alterungspotenzial immerhin implizit zugesprochen, indem wir feststellten, dass er an der Luft immer besser werde. Und der positive Reifungsprozess lässt sich in der Tat über die Jahre gut beobachten, ich habe den Wein ja immer wieder mal probiert. Er steckt die Jahrgangstypizität von Jahr zu Jahr besser weg und wird erstaunlicherweise immer weniger botrytisch. Ist wahrscheinlich eigentlich wissenschaftlich gar nicht möglich, schafft er aber irgendwie doch. Der Schiefer und die Frucht drängen den Karamell und den Honig über die Jahre mehr und mehr in den Hintergrund.
Nun kam der nächste Pirat an den Start, Uhlen alte Reben 2007 aus dem Hause Lubentiushof. Wow!!! Eine sensationelle Schiefernase mit fetter tropischer Frucht und viel Würze. Unglaublich dicht, man fasst es nicht. Eine 99 Punkte-Nase, ich wüsste kaum, wie das noch besser gehen sollte. Auch am Gaumen wunderschöne tropische Frucht im Anklang, Maracuja, etwas Mango. Sehr cremig, weil die Frucht den durchaus wahrnehmbaren Alkohol unter dem Arm einhakt und ganz schmerzlos am Gaumen entlang gleiten lässt. Nebenher fängt sie mit dem Lasso auch noch einen Arm Kräuter ein, Minze, etwas ganz leicht Heuig-Grasiges ist auch dabei, dann wieder diese Cremigkeit. Ewig lang, sehr tief, ein ganz großer Wein. 94 bis 95 Punkte aus der Runde, 95 auch von mir. Wurde blind „ganz eindeutig“ als Löwensteinwein identifiziert, weil man etwas so Großes niemand anderem an der Terrassen-Mosel zugetraut hätte. Am zweiten Tag nur ganz unmerklich schwächer, es war aber auch nur noch ein winziges Schlückchen in der Flasche übrig geblieben. Schade, dass es davon nichts mehr zu kaufen gibt, eine Zwölferkiste würde ich dem heimischen Keller sofort einverleiben.
Direkt danach dann natürlich der Uhlen Roth Lay aus 2007. Sehr rauchig-mineralische Nase, leicht ankandierte Frucht, mit mehr Luft kommt dann der Schiefer immer kräftiger in den Vordergrund. Dichte, fast brachiale Nase, richtig viel Power, sagenhaft. Am Gaumen likörige Aprikose mit rauchiger Mineralik. Das spielt erst ein wenig ins Tuffsteinige, Kreidige, dann wird es aber schnell deutlich feuersteiniger. Voll, viiiel Druck, sehr lang mit ungemeinem Druck auch im Abgang. Sehr aprikosige Frucht, die sich wunderbar mit der Mineralik verträgt und lang am Gaumen bleibt. 93 Punkte von mir, aus der Runde aber auch Wertungen von 91 und 92. Am nächsten Tag habe ich ihn im direkten Vergleich zum 2006er nachprobiert, da wirkt er etwas weniger konzentriert, etwas leichter. Hat nicht mehr ganz den Druck des Vortags, allerdings im Abgang nach wie vor extrem nachdrücklich, dort hat er tolle Argument und in jedem Fall das letzte Wort. Im Anklang und in der Mitte kommt er deutlich eleganter, feiner, tänzerischer daher, wunderbar harmonisch. Die 93 Punkte bleiben, bei aller Andersartigkeit steht er für mich auf Augenhöhe mit dem 2006er. Nur dass ich hier die beste Igelin von allen nicht brauche, um die erste Flasche zu leeren. Bei der zweiten darf sie dann mithelfen. Vor drei Jahren gaben wir diesem Wein übrigens 94 bis 97 Punkte und meinten, er müsse noch reichlich reifen. Das ist ihm inzwischen gelungen, jetzt kann man ran, auch wenn er sich nicht ganz so großartig entwickelt hat, wie ich gehofft hatte. Aber das ist natürlich Jammern auf höchstem Niveau.
Weiter ging es mit den Röttgens. Den Anfang hätte ein Röttgen alte Reben aus 2002 machen sollen, den Reinhard und Conny Löwenstein freundlicherweise gestiftet hatten. Ganz herzlichen Dank!!! Ein nicht ganz so herzlicher Dank geht auch an meine wunderbare Nachbarin, die das Paket etliche Tage vor der Probe entgegengenommen und erst zwei Tage nach der Probe an mich ausgehändigt hat. Und natürlich sei auch der Paketbote erwähnt, der keinen Zettel in meinen Briefkasten geworfen hatte, um mitzuteilen dass er das Paket bei der Nachbarin abgegeben habe. So werden wir den 2002er bei nächster Gelegenheit in ähnlicher Runde nachverkosten müssen. Und so machte der 2003er den Anfang des Röttgenreigens. Sehr karamellige, botrytische Nase, Rosinen, Röstnoten, Brioche, auch eine Spur Honig. Schon mit einer ersten leichten Firne unterwegs. Aber was heißt schon, der Wein ist schließlich neun Jahre alt und aus dem säurearmen Jahrgang 2003. Am Gaumen recht voll, ziemlich karamellig, Rosinen, Nüsse, das ist fast Studentenfutter. Ein wenig wie eine Beerenauslese mit einem ganz leichten Säuremanko unterwegs. Kräutrig, auch ein wenig tabakig, aber weder bitter noch floral, wie schon der Uhlen Roth Lay aus 2003 hat er die gefährlichsten Klippen des Jahrgangs gut umschifft. Eine Spur Marzipan im Abgang, wo das Ganze leider ein wenig breit und eine Spur alkoholisch wird. 83 bis 84 Punkte. Am zweiten Tag muss man diesem Wein eins lassen: Er bleibt bei sich. Kein Stück anders als am Vortag, vielleicht kommt sogar noch etwas mehr Frucht heraus. Entwickelt sich mit Luft im Glas sogar noch ein wenig und kratzt jetzt an den 85 Punkten.
Danach ging es nahtlos weiter mit dem Röttgen 2004: Jahrgangstypische Löwenstein-Nase, möchte ich sagen. Wirkte der Uhlen Roth Lay wie ein Schieferterrassen XXL, hatten wir jetzt den Schieferterrassen XL im Glas. Erstaunlich, wie sich in diesem Jahrgang die Jahrgangstypizität über die Terroirtypizität hinweg setzt, für mich war das nicht in erster Linie ein Röttgen, sondern in erster Linie ein 2004er. Schöne schiefrige Mineralik, ein Spur rauchig, gelbe Aprikose mit einem Hauch Quitte. Am Gaumen sehr cremige Frucht, feine Aprikose, nicht irrsinnig opulent, aber sehr klar und gradlinig. Langer, sehr tiefer Abgang mit viel Schiefer im Fundament und obendrauf dieser eleganten Aprikose. Mit mehr Luft gesellt sich dann auch noch ein marzipaniger Ton hinzu. Wird überhaupt im Glas immer besser und kriegt dann am Ende von mir immerhin 89 Punkte, aus der Runde eher 87 bis 88. Wie der Uhlen hatte auch der Röttgen am zweiten Tag eine deutlich feuersteinigere Nase bekommen. Mit Luft ging es dann eher wieder auf den Schiefer und die Aprikose zurück. Hält das Niveau des Vortags spielend.
Einen sehr schwachen Piraten übergehe ich mal, als nächster folgte in der Chronologie der Röttgen 2005. Rauchig-mineralische Nase, leichte Firne, insgesamt recht volle und ziemlich tiefe Nase, mit mehr Luft reichert sich diese noch um pikante, minzige Kräutertöne an. Am Gaumen cremige Frucht, viel Würze, erinnert stark an eine gut gereifte restsüße Auslese. Kommt mit Luft noch deutlich besser heraus, wird voller und fruchtbetonter. Gute Länge, viel Druck im Abgang und hinten heraus noch immer eine erstaunlich volle Frucht. Dennoch nicht ganz so komplex wie die größten Röttgens. 87 bis 88 Punkte. Am zweiten Tag noch deutlich trinkiger, das geht runter wie Rohöl. Viel Würze und viel cremige Frucht im Anklang, in der Mitte dann auch mandelige Töne und ein rosiniger Touch. Ist über Nacht noch etwas besser und voller geworden. Jetzt bei 89 Punkten.
Direkt daneben stellten wir den Röttgen 2005 alte Reben. Kräutrige Nase, schöne Mineralik, viel Schiefer, satte Frucht. Sehr kräftig, schöne Fülle, ganz leichter Firnton. Am Gaumen deutlich mehr Süße als der einfache Röttgen, schön dicht, vielleicht aber doch einen Hauch zu süß? Denn einerseits ist er von der Süße her eigentlich noch zu jung, andererseits steht da auch schon der erste firnige Ton im Raum und malt ein Fragezeichen an das Thema weiteres Alterungspotenzial. Dennoch, das ist ein Klassewein, viel Druck, sehr komplex, gute Tiefe und Differenziertheit, bleibt auch im Abgang ungemein kräftig und voll. 89 bis 90 Punkte.
Auch aus 2006 hatten wir das Duo einfacher Röttgen/Röttgen alte Reben am Start. Den Anfang machte der einfache: Ein Hauch Botrytis in der Nase, sehr viel Frucht, Pfirsich und mürber Apfel, schöne Mineralik. Mit mehr Luft wird der botrytische Ton noch etwas stärker, vor allem Karamell gesellt sich hinzu. Für den Jahrgang dennoch eine erstaunlich differenzierte Nase, zudem blitzsauber und klar! Am Gaumen im Anklang ebenfalls Karamell, dazu viel gelbe Frucht, etwas Honig, feine Röstnoten. Leider hinten heraus eine Spur knapper, schlanker, da dürfte er noch differenzierter sein. Dennoch auch im Abgang eine ziemlich feine, kraftvolle Sache, schlank aber durchaus lang. 90 Punkte. Am zweiten Tag keine Spur schwächer, im Gegenteil, er wirkt hinten fast noch ein wenig voller auf mich. Toller Erfolg für einen alles andere als einfachen Jahrgang.
Wie beim Brüderpaar aus 2005 setzte auch 2006 der alte Reben noch einen kleinen drauf: Sehr kräftige Nase, kandierte Aprikose pur, dann immer mehr Schiefer, tolle Mineralik, keinerlei Botrytis zu erkennen. Wenn es überhaupt etwas zu bemängeln gäbe, dann einen sauternigen leichten Lösungsmittelton, der aber nur zwischendrin mal kurz aufflackert und sich dann wieder verzieht. Gut so. Am Gaumen voll, recht üppige Restsüße, die diesem Wein auch sehr gut steht. Und dann wieder ein Flash: Studentenfutter – Nüsse, Mandeln, Rosinen, das volle Programm. Dazu ein zarter Ton von Portwein, nur ohne den Sprit natürlich. Sehr schöne Länge, im Abgang kraftvoll, bis ganz hinten mit reichlich Druck unterwegs, das macht Freude. Hundertprozentig sauber, keinerlei Sauerfäule, wenig Botrytis, wieder ein Riesenerfolg in diesem schwierigen Jahrgang. 91 Punkte. Am zweiten Tag noch etwas besser, da schreibe ich sogar eine 92 dahinter.
Das können wir steigern, als nächstes kam der Röttgen 2007 ins Glas. Duftige Aprikosennase, sehr kräftig, schöne kräutrige Würze und zunächst noch mit eher verhaltener Mineralik unterwegs. Am Gaumen toller Anklang, opulente orangegelbe Frucht, dicht, tolle Fülle. Großartiger Abgang, bleibt ewig lang und dabei voll und saftig. Tolle Fruchtsüße in perfekter Balance mit der Säure, kleidet den Gaumen wunderbar aus. Immer wieder notiere ich „viel Saft“ und mache beliebig viele Ausrufezeichen dahinter. 92 Punkte. Am nächsten Tag gab es sogar noch einen mehr und erhöhte ich auf 93, da wirkte er noch etwas vielschichtiger.
Weiter mit dem 2008er Röttgen. Ziemlich opulente Nase, schöne Fruchtfülle, aber auch mit einem bunten Strauß Wiesenkräuter unterwegs, das gibt ihm ein interessantes Spannungsverhältnis. Am Gaumen eher fruchtbetont, hier stehen die Kräuter mehr im Hintergrund, dafür meldet sich die Mineralik zu Wort und zwar geräuschvoll. Sie harmoniert aber bestens mit der Frucht, insgesamt kommt der Wein sehr weich und cremig an die Papillen. Schön voll und durchaus lang. Viel Trinkfreude, das kam nach dem gelungenen 2008er Uhlen nicht mehr ganz überraschend, zumal ich vor einer Woche auch den Schieferterrassen mit sehr viel Genuss getrunken hatte. 89 Punkte.
Der 2009er Röttgen wirkte auf den ersten Schnupperer noch erstaunlich jung. Da war sogar noch eine Spur Schwefel in der Nase wahrzunehmen, die aber schnell verflog. Schöne Mineralik, eher Feuerstein als Schiefer, reife Frucht, auch leicht röstige Aromen. Legt mit Luft schnell stark zu und wird immer besser. Am Gaumen cremige Aprikosenfrucht pur, tolle Fülle, schönes mineralisches Spiel. Tiefgründig und voll, großartige Balance zwischen Süße, Säure und Mineralik. Extrem lang, dabei voll und einfach nur charmant. Ein Röttgen wie er im Buche steht. 92 Punkte. Am zweiten Tag fast noch besser.
Als vorletzten Wein der offiziellen Probe gab es nun den Röttgen 2010. Noch vor einem halben Jahr sehr schwierig, weil mit rasend viel Säure unterwegs und sehr unlöwensteinig. Jetzt ging das schon etwas besser: Sehr feuersteinige Nase, viel Schiefer, aber auch eine kleine Spur Lösungsmittel. Mit Luft kommt mehr und mehr Frucht heraus, dazu auch Kräutertöne, das Ganze erstaunlich fein und harmonisch, auch weil der Lösungsmittelhauch sich ein wenig reduziert. Am Gaumen wirkt der Wein erst extrem botrytisch, voll, saftig, leicht kandierte Früchte. Kriegt den Alkohol nicht völlig weggedrückt, doch besticht die unglaublich volle, feine Aprikosenfrucht. Und dann hat der Kerl eine Dichte und Länge, wie man sie nur selten bei einem Röttgen erlebt. Ich geb ja keine Prognosen mehr zur Alterung ab, aber die restlichen Flaschen in meinem Keller werde ich so ganz schnell nicht antasten. 90 Punkte, am Tag drauf gab’s sogar die 91, weil der Alkohol da deutlich weniger stach.
Und den Schlusspunkt setzte dann der Röttgen 2011. Was für ein Wein! Sagenhaft opulente Nase, der ganze Charme der Jugend! Natürlich vor allem auf der Frucht, Mineralik und Würze halten sich erst einmal noch vornehm zurück. Auch am Gaumen steht die Aprikose dicht, voll und saftig wie ein Monument unter dem Zäpfchen und lässt mir das Grinsen gar nicht mehr vom glücklichen Igelgesicht. Toller Abgang, grandioses Spiel von Süße und Säure, gerade hinten heraus hat dann auch die Mineralik ihren Auftritt und gibt ihm noch mehr Tiefe und Komplexität. Toller Wein, erntet zwischen 92+ und 93 Punkten aus der Runde und von mir am nächsten Tag sogar eine 94, weil er noch etwas offener und komplexer geworden ist.
Zum Abschluss gab es noch drei Süßweine, einen davon aus dem kaiserlichen Weinkeller, dafür ein herzlicher Dank an den Weinkaiser Ralf I. Ich darf hier sagen, dass mich sein Edelsüßer nicht wirklich überzeugt hat. Denn meine beiden waren auch nicht besser.
Trotzdem eine hochinteressante Löwensteinigung. Schade nur, dass ich vergessen hatte, auch Sack und Asche zu besorgen, denn die hätten wir angesichts so mancher Prognose aus der letzten Probe sicherlich gebrauchen können. Am Ende stand das Fragezeichen, ob (und warum) insbesondere die Uhlens wirklich weniger gut altern als von uns zuletzt angenommen. Die meisten Probenteilnehmer zogen für sich dann doch das Fazit, ihre restlichen 04er, 05er und 06er so bald wie möglich trinken zu wollen. Gerade der nicht mehr wirklich gute Zustand der 2005er war enttäuschend. Bei den 2004ern gab es mehrheitlich eine ähnliche Auffassung, die ich allerdings nicht ganz teile, weil ich den Stil des Jahrgangs recht gerne mag. Auf der Habenseite können die Löwensteins dann aber für sich verbuchen, dass sie sich in den schwierigen Jahrgängen 2003 und 2006 besser geschlagen haben als praktisch alle Mitbewerber. Und natürlich haben wir aus den Jahren 2007 bis 2011 wirklich grandiose Löwensteine im Glas gehabt. Eine tolle Überraschung waren für mich schließlich die Qualität und das Reifepotenzial der Weine vom Lubentiushof. Respekt, für vergleichsweise kleines Geld bekommt man da richtig viel Wein ins Glas.
Die zurückgelegte Strecke…
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