Vignaserra 1996, Roberto Voerzio, LaMorra, Piemont
Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Vignaserra 1996, Roberto Voerzio, LaMorra, Piemont
Die zehn Gebote, „das weiß man, das ist bekannt“ (Beckenbauer) sind in zwei Steintafeln eingemeißelt worden. Weitaus weniger bekannt, wahrscheinlich ein alttestamentarisches Redaktionsversehen, wurde das elfte Gebot, das auf der Rückseite der zweiten Steintafel steht: Einmal im Jahr soll der Weinigel weiße Trüffeln essen. Und zwar großzügig über Nudeln in einer mäßig heißen sahnigen Sauce gehobelt.
So will es der Herr. Da kann man nix machen, da bleibt nur eiserner Gehorsam. Deswegen hatte ich mir auch im letzten Dezember aus dem Fritzmarkt meines Vertrauens in der Dürener Straße zu Köln wieder eine dieser wunderbaren weißen Knollen mitgebracht. Die ganze Küche atmete den Tuberduft, den Nudeln stand ein breites Grinsen der Vorfreude ins Gesicht geschrieben, auch die Sahne freute sich auf die Veredelung mit Magnatum Pico.
Doch ach, der Herrgott hat in seiner großen Weisheit vergessen, dem Weinigel mit auf den Weg zu geben, was zu den Trüffeln zu trinken sei. Also muss Jahr um Jahr experimentiert werden. 2011 habe ich es mit einem 1996er Vignaserra von Voerzio probiert. Der sich in christlicher Bescheidenheit Vino da Tavola nennt, obwohl es sich um einen geradezu brachialen Nebbiolo erster Güte handelt.
Während die Nudeln noch auf dem Herd vor sich hin köchelten, gab es die ersten Probierschlucke: Eine wunderbare Nebbiolonase mit Orangenfrucht, einem dicken Schlag Asphalt, ein wenig Unterholz, dazu eine Spur Pflaumen, so von der eingekochten, leicht gezimteten Art. Das verspricht höchsten Trinkgenuss und große Vielfalt am Gaumen.
Dort brandet der Wein zunächst einmal mit einem kleinen typisch italienischen Säurehämmerchen an. Dann kommt eine ungemein saftig Frucht, eher die eingekochte Pflaume als die Orange, die eher einem Reifeton als echter Fruchtaromatik entspringt. Mitten in diesem Pflaumenkonzert steht von ersten Moment an ein satter mineralischer Ton, hat was von nassem Asphalt. Das steht aber nicht alleine, sondern ist üppig mit Kräuter- und Würznoten garniert, unglaublich harmonisch, viel Süße. Davon ist in der Frucht ein dickes Pfund vorhanden, diese Süße macht den Wein unglaublich charmant und spielt bis tief in den Abgang hinein minutenlang mit Säure und Mineralität. Das Ganze in beachtlicher Tiefe. Und lang ist der Kamerad, sensationell.
Bis der Abgang zuende ist, sind die Nudeln längst gar. So dass nun die Kombination zu den weißen Trüffeln ausgetestet werden kann. Bingo, 100 von 100 Willipunkten für diese Mariage von fester und flüssiger Nahrung! Was ein Genuss!!
Und der Wein wird immer besser, mit Luft im Glas gewinnt er an Komplexität, ganz hinten kommen sogar noch ein paar sehr reife Tannine zum Vorschein, die den Eindruck erwecken, dass dieser kleine Tafelwein noch ein paar Jahre weiter reifen kann.
Andererseits habe ich es ganz gerne, wenn da noch ein Hauch mürber, reifer Tannine im Untergeschoss arbeitet und die Frucht nach oben kellnert. Das trägt den Wein auch im Glas über Stunden. Er entwickelt sich immer weiter, wird noch fruchtiger und weicher, jetzt auch rotfruchtiger. An die Säure habe ich mich inzwischen entweder gewöhnt oder sie ist in diesem dichten Aromenkonzert einfach ein wenig untergegangen, sie steht längst nicht mehr so im Mittelpunkt wie noch beim ersten Schluck. Der Abgang, den kann man einfach nur grandios nennen, lang und dabei ungemein fein, elegant, ohne deswegen an Tiefe einzubüßen.
Nur die Nase bleibt bis zum Schluss ein klein wenig verhaltener. Understatement eben, ganz unitalienisch, der Italiener klebt ja sonst sogar noch einen Spoiler an den Cinquecento. Hier haben wir es eher mit einem Ferrari mit Wackeldackel und überhäkelter Klopapierrolle zu tun. Raffinierte Tarnung, aber da falle ich nicht mehr drauf rein. 94 von 100 Willipunkten – toll!
Kommentare