Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 30 - Villa Lalique



Neulich bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Berlin. Podiumsdiskussion zur Frage, wie unsere Städte im Jahr 2030 aussehen werden. Hui, wird das interessant in der Zukunft. Da werden wir unsere Nahrungsmittel nicht mehr auf dem Land erzeugen, sondern nur noch im Urban Farming, in Gärten an den Wänden unserer Häuser und auf unseren Dächern. Autos werden ohne Fahrer herumkurven. Vielleicht auch ohne Passagiere, das wäre der vollendete Durchbruch. Häuser werden ebenso tief unter die Erde reichen wie wir sie heute nach oben bauen. Und auf hundert, zweihundert Meter Höhe werden über unseren Köpfen neue, zusätzliche Straßen und Verkehrsebenen entstanden sein. Sagen die Experten.

Der Igel ist da nicht so optimistisch. Wenn Berlin in zehn Jahren nicht einmal einen Flughafen bauen kann, wie soll dann in nur fünfzehn Jahren eine Straße in so luftiger Höhe gebaut werden? Vielleicht geht das in China, in Deutschland wird uns allein schon das Planfeststellungsverfahren vor solchem Unsinn behüten. Andererseits – die Grünen wären happy, wir hätten unter diesen erstmal richtig bezeichneten „highways“ ohne große Umstände den höchsten Krötentunnel der Welt geschaffen.

Und wenn in Stuttgart nicht einmal ein Bahnhof in aller Stille bestattet werden kann, wie will man dann durchsetzen, dass Häuser einen halben Kilometer tief in die Erde hinabgetrieben werden? Es wird doch heute über jedes Großprojekt jahrelang Bürgerkrieg geführt. Man muss schon sehr gute Drogen haben, um an solche Utopieszenarien zu glauben. In einer Zeit in der Elbphilharmonien größte Dissonanzen erzeugen und die selbsternannte Bundesstadt Bonn ein Jahrzehnt an einem lumpigen Konferenzzentrum herumpfuscht.

Tja, der technologische Fortschritt! Mit etwas Glück wird er es uns eines Tages ermöglichen, die Probleme zu lösen, die wir ohne den technologischen Fortschritt nie gehabt hätten: Umweltzerstörung, Artensterben, Treibhauseffekt, Multiresistenzen gegen Antibiotika und vieles andere mehr. Oder anders herum betrachtet: Schon der bisherige Fortschritt hat neben zahllosen Segnungen, auf die sicherlich kaum einer von uns verzichten möchte, auch ungeahnte Folgeprobleme mit sich gebracht. Je komplexer die Innovationen werden, desto schwieriger wird wohl auch die Abschätzung der Risiken und Folgen. Wo liegt der goldene Mittelweg zwischen dem echten, auch nachhaltig aufrecht zu erhaltenden qualitativen Zugewinn in unserer Lebens- und Erfahrungswelt einerseits und aktionistischem Unfug oder selbstzerstörerischer Risikotechnologie andererseits?

Goethe lässt sein Faust noch sagen, „habe nun, ach, so ziemlich alles studiert, was man studieren kann“. Ja gut, sicher, das ist jetzt etwas frei wiedergegeben. Aber der dahinterliegende Anspruch, als Mensch das gesamte Wissen seiner Zeit in sich aufnehmen zu wollen und zu können, der ist in der sich unglaublich ausdifferenzierenden und verkomplizierenden Welt von heute natürlich längst unerfüllbar geworden. Obwohl, auch daran arbeiten die etwas gruseligeren unserer Zukunftsutopisten – externe Festplatten fürs Hirn. Selbst wenn mir zwei, drei Herrschaften aus dem Privatfernsehen einfallen, für die das vielleicht die Rettung sein könnte, an sowas will ich eher nicht ran.

Wo war ich? Ach ja, alles wird komplizierter. Auch in der Finanzwelt, wo man schon sehr gut aufgestellt sein muss, wenn man noch verstehen will, welche kühnen Konstrukte wir uns in den letzten Jahrzehnten geschaffen haben. Strukturierte Fonds, die uns mal eben in eine globale Finanzkrise führen. Steuerfreier Obsthandel schafft Jobs bei Apple, oh wie schön ist Panama! Welcher Normalsterbliche kann eigentlich noch einschätzen, ob TTIP neue Blasen und Möglichkeiten zum Bescheißen der Ahnungslosen schafft oder halbwegs breitenwirksamen Wohlstandsgewinn?

Schon Gandhi hat gesagt, das Leben werde nicht allein dadurch besser, dass sich seine Geschwindigkeit erhöht. Inzwischen ist unser Rotationstempo schon so rasant geworden, dass mehr und mehr Leute durch die Zentrifugalkräfte seitlich von der Spielfläche gefegt werden. Genau da setzen dann die Krachledernen von der AfD an, mit einfachen Parolen gegen eine komplexe Wirklichkeit. Trügerisch simpel, erschütternd dumm, aber halt doch erfolgreich.

Ein zweites Element tritt hinzu. Der Mensch lebt auch von seinen Wurzeln. Von der Heimat. Heimat findet man nicht nur im Wohnumfeld, Heimat findet man auch in der Gewohnheit, in Ritualen, im Vertrauten. Die steigende Innovationsgeschwindigkeit kostet uns Heimat. Weil immer mehr vom Vertrauten immer schneller wegbricht. Für den experimentierfreudigen Weltbürger mit jeder Menge Lust auf Neues ist das eine Weile lang schön. Doch je mehr das Tempo zunimmt, desto größer auch der Anteil derjenigen, die – schon wieder Goethe – gerne mal dazwischen rufen möchten, der Augenblick sei eigentlich ganz schön und dürfe ruhig noch ein wenig verweilen. Das gilt ganz besonders in unserer alternden Gesellschaft. Selbst Simenon, in seiner Jugend ein Ausbund an Neulust, ein Reiseweltmeister seiner Zeit, jemand mit unendlicher Neugier auf Menschen und Kulturen, hat sich im Alter in sein Schneckenhaus am Genfer See zurückgezogen und mit 72 Jahren festzustellen beliebt, der wahre Fortschritt sei nur das, was die Harmonie zwischen dem Menschen und seinem Umfeld steigere.

Dauernd neue Technologien lernen zu müssen, den Überblick über Millionen von Apps behalten zu wollen, jeden Monat das neueste, hippeste soziale Netzwerke erkunden zu müssen, das fordert und das überfordert auch irgendwann. Bei Tchibo gibt es gar jede Woche eine neue Welt. Wacht der Igel aus dem Winterschlaf auf, dann ist es in jedem Frühling dasselbe er muss erstmal einen Integrationskurs absolvieren, um die für ihn so neue Welt wieder zu verstehen.

Denn der Igel, der ist sowieso Traditionalist. Nicht dass er nicht auch dieses neumodische Zeugs ganz gerne hätte, dieses Neuland Internetz oder wie das heißt, die Digitalkamera und den Elektroherd. Aber den Joystick im BMW, mit dem man das Autoradio nun nur noch etwa doppelt so kompliziert bedienen kann wie vorher mit den herkömmlichen Knöpfen, den hält der Igel zum Beispiel für einen ziemlichen Flop. Wie so viele andere aufgedrängte Innovationsbereicherungen auch.

Ja, der Igel ist Gewohnheitstier, so steht das schon beim alten Brehm im Tierleben. Wenn der Schuhladen zumachte, in dem ich seit 25 Jahren dasselbe Modell kaufe, eben das, was von allen Herrentretern am besten auf die schrundigen Igelpfoten passt, dann wäre das ein mittlerer Weltuntergang. Und meinen Friseur, den einzigen, der es versteht, die Stacheln des Igels gar lieblich zurecht zu ondulieren, den werde ich, wenn er eines Tages mal in den Ruhestand geht, mit viel Geld bestechen müssen, dass er mich trotzdem weiterhin unter die Schere nimmt. Der Zeitpunkt kommt bedrohlich näher, schon 2040 könnte es so weit sein, ich krieg langsam Panik. Ja, eine Art Adrian Monk light, das isser der Igel.

Noch schlimmer wird es, wenn eines der Lieblingslokale schließt oder auch nur den Küchenchef wechselt. Das ist vor gerade mal zwei Jahren erst wieder passiert, im Arnsbourg im Elsass. Küchenchef Klein war mit seiner Frau ein wenig überkreuz geraten, schmiss die Schürze in die Ecke, zog von dannen und ließ der Madame das Lokal und die führerlose Brigade zurück. Grande catastrophe, die Qualität der Küche ging leider sofort in den Keller. Wie die Stimmung des Igels, der sich an viele schöne Stunden mit Kleins großer Küche zurückerinnerte. Und erleichtert aufatmete, als der Mann nach etwa einem Jahr in der Villa Lalique wieder an den Herd trat. Ein ganz neu eingerichtetes Restaurant im alten Herrensitz der Laliques. Wie das Arnsbourg in der Mitte von nowhere gelegen, Wingen sur Moder, irgendwo im Niemandsland zwischen Elsass und Lothringen, wer kennt das schon? Bis die dort die erste Straße in hundert Meter Höhe bauen, wird noch sehr viel Wasser die Moder herab fließen.

Natürlich war der Igel unter den ersten Gästen, schon Ende 2015. Aber der Bericht über den Abend ist ihm irgendwie liegen geblieben. Schwarzer Gürtel im Prokrastinieren halt. Die Entdeckung der Langsamkeit, grad hier passts dann wieder. Nur leider ist der Spannungsbogen hin, den ich im letzten Jahr noch hätte ziehen können – wird der Michelin gleich wieder drei Sterne zücken, oder erstmal zurückhaltender bleiben? Tempi passati, im März 2016 gabs erstmal nur zwei Macarons. Und, um es vorweg zu nehmen, das ist auch gut so, denn der Igel war zum selben Ergebnis gekommen, wenn auch knapp. Dafür, dass die Eröffnung erst so kurz zurück lag, schwang sich die Küche bereits wieder in beachtliche Höhen auf, zum Gipfelkreuz des alten Arnsbourg war aber noch etwas Luft. Ich sags ja, diese dauernden Veränderungen sind von Übel.





Aber der Reihe nach. Erst einmal muss man feststellen, dass die Villa Lalique unter architektonischen und repräsentativen Aspekten lässig das Zeug zum Dreisternetempel hat. Bei der Einrichtung des Restaurants wurde wahrlich nicht gespart. Man hat einen lichten Glaskubus vor die alte Fachwerkvilla gesetzt, mit ein paar Backsteinen verkleidet, modern, transparent, klassische Linienführung, das hat Stil.


Drinnen ein großzügiger Saal, die Tische hinreichend weit von einander entfernt. Das Leitmotiv Lalique zieht sich dezent durch die Dekoration - Wassergläser von Lalique, verspielte Salz- und Pfefferstreuer im floralen Design, Platzteller mit Kristalleinsprengseln, auch die Blumenvase und die Messerbänkchen mit jungendstilvoll-verspieltem Charme. Selbst die Kleidung der Brigade im Saal ist auf die Art-Deko-Linie abgestimmt, Wein- und Champagnergläser sowieso.


Die glasweise Champagnerauswahl bekommt für den Duval Leroy Rosé und den Roederer Blanc nicht eben einen Orignalitätsoscar, immerhin wird der Stoff aus Magnumflaschen serviert, damit die Oberarmmuskulatur des Sommeliers nicht atrophiert. Dazu drei Amuses: Erstens eine stichfeste Kürbiscreme mit Räucheraal, ansprechend aber nicht unbedingt sternewürdig. Zweitens Lachs und grüner Apfel auf einem Reiskeks. Da ist schon interessanter, weil sich die sehr knackige Säure des Apfels zärtlich mit dem Zarträuchrigen des Lachses verschränkt. Der Reiskeks gibt einen krossen Akzent in der Textur dazu. Drittens ein Fruchtpotpourri mit Martinieis. Ja, das ist ganz nett, lebt aber vor allem vom Alkohol und der Süße der Frucht, der Martinigeschmack dringt nicht wirklich durch.


Das Menü beginnt mit einem "goldenen" Ei. Leider nicht massivgolden, sonst wäre es der besten Igelin von allen wahrscheinlich versehentlich in die Handtasche gefallen, sondern nur ein goldbemaltes Hühnerei. In das innen drei Schichten übereinander geschlichtet waren. Unten eine fleischextraktige Essenz, darüber verrührtes Hühnerei und obenauf eine Sesamcreme. Die drei Elemente verbinden sich ganz exzellent, der Sesam ist genau richtig dosiert, ergänzt sich gut mit der Fleischwürze. Auch zusammen schaffen die beiden es nicht, das Hühnerei zu erschlagen, zu intensiv ist dessen Aroma. Ein kleines Meisterwerk, das wäre mir auch drei Sterne wert.


Sehr gelungen auch das Dreierlei von Zitrusfrüchten. Ein Hörnchen mit Yuzufüllung, knusprig, außen mit Zuckerguss überzogen, was die Säure der Yuzu gut ausgleicht. Ein Zironenschaum mit Kerbel und marokkanischer Sauce, die mit Kreuzkümmel und anderen Maghreb-Gewürzen einen sensationellen Kontrapunkt zur Zitrone setzt. Ein Seeigelflan mit Limoneneis. Der fiel gegen die beiden anderen Wunderwerke ein wenig ab, weil das Eis das sehr feine Aroma des Meerestieres ziemlich an die Wand spielte. Dennoch hätte ich auch für dieses Gericht die vollen drei Sterne vergeben.


Inzwischen ist im Champagnerglas eine unangenehme Trockenheit eingekehrt. Der Igel wirft also einen Blick auf die Weinkarte. Ja, erstmal drauf, denn von außen macht die was her, Lalique-Stil auch hier. Dann aber natürlich auch hinein. Da lauern mir zahlreiche Bordeaux auf. Mit erstaunlich fairen Preisen, zumindest bei den reiferen Jahrgängen. Bei den jüngeren, also 2009 und 2010, kann man die Frage stellen, ob die schon zwei, drei Jahre nach dem Einkauf das Dreifache des Endverbraucherpreises kosten müssen (also 750 Euro statt 250 Euro). Trinkreif sind sie sowieso noch nicht. Zu den meisten Gängen des Menüs passt ohnehin ein Weißer besser, also gibts mal wieder Ostertag, schließlich sind wir im Elsass. Der Riesling Grand Cru aus 2013 für 75 Euro, das ist reell.


Nun folgte ein Dreierlei von der Jakobsmuschel. Offenbar arbeitet der Herr Klein gerne in Triolen. Ein grandioser St.-Jacques Tatar mit nur einem Hauch kräutriger Würze. Ein sehr gutes Carpacchio, dem zum Weltklassegericht aber ein wenig Salz und Zitrone fehlte. Und ein etwas enttäuschender Jakobsmuschelraviolo in Steinpilzessenz. Das funktionierte gar nicht, man schmeckte weder den Pilz noch die Muschel wirklich durch, noch hätte sich aus beidem ein innovativer neuer Gesamteindruck ergeben. Zu loben hingegen wieder der zwischenrein platzierte goldene Kaviar mit Creme Fraiche. Keine Kochkunst aber bestens eingekauft. Insgesamt ein Gericht, das knapp an den drei Sternen schrammt.


Recht enttäuschend dann leider der Steinbutt mit Blumenkohlschuppen, Rainfarnvinaigrette und rosa Grapefruit. Hier fehlt mir die Säure am Fisch, das kann man mit der Grapefruit leider nicht richtig ausgleichen, zumal die Texturen es verhindern, dass sich das richtig verbindet. Die leicht bananig schmeckende "Vinaigrette" ist eher ölig als säuerlich und trägt geschmacklich recht wenig bei. Insgesamt ein wenig langweilig. Für mich maximal ein Stern.


Nun einmal ein Duo: Zweierlei Foie Gras mit Rote Bete. Zunächst ein mit Stopfleber gefüllter Raviolo aus weißer Bete in einer Essenz von Taube mit Muskatnuss. In die Suppe waren auch noch ein paar Stücke gelbe Bete eingearbeitet, von denen ein Teil zuvor säuerlich eingelegt worden war. Eine absolut begeisternde Harmonie von Leber, Taube, Muskat und Bete. Ein Hauch Säure, eine Prise Schärfe, dann die Süße der Leber, die Würze der Muskatnuss, alles genau richtig dosiert, genial!



Dazu ein Gänsestopfleberflan mit Sahndeckel, auf dem ein Eis von rote Bete ruhte. Das Eis erschlug leider die viel zu dezent abgeschmeckte Leber, deren Aroma durch die Sahne noch einmal unnötig weiter abgepuffert wurde. Funktioniert leider gar nicht. Auf dem einen Teller Elysium, auf dem anderen kaum Durchschnitt, Himmel und Hölle...


Überzeugend dann wieder der Hummer "zurück aus Saigon". Ein bretonischer Hummer in sehr kräftiger Bisque mit herrlichem Papaya-Salat und etwas Schaum von grünem Curry. Den Schaum schmeckt man nicht vor, die Currynoten sind fast zu dezent. Auch die Papaya, für sich superb, wird von der Bisque ein wenig unterjocht. Dennoch eine recht gelungene Harmonie, kratzt am dritten Stern.

Noch eine Ecke besser der Hirsch mit Sellerie-Haselnuss-Küchlein, Steinpilztatar und Kaffeesauce, serviert mit Taubenleber-Schoko-Donut. Tolles Fleisch, perfekte rosa Garung, intensiver aber nicht zu "wilder" Geschmack. Große Klasse. Witzig das Sellerie-Haselnuss-Küchlein dazu, unten eine Schicht Sellerie, dann Haselnussmasse, noch eine Schicht Sellerie drauf und obenauf wieder ein paar Nusssplitter. Das Sellerie und Nuss gut mit einander umgehen könne, das weiß man, das ist bekannt, aber hier ist die Dosierung perfekt gelungen, das kann nicht jeder so präzise. Auch die Kaffeesauce konveniert, schmeckt vielleicht ein Spürchen zu sehr vor. Die Schokolade fängt das ein wenig auf, ist aber ein Eckchen zu fett. Doch das sind Kleinigkeiten, insgesamt ein herausragendes Gericht.



Wir bleiben beim Leitmotiv Kaffee, nun kam ein Cappuccino von Kartoffeln und Trüffeln. Die mehligkochenden Kartoffeln püriert, mit viel brauner Butter luftig aufgeschlagen, etwas Fleur de Sel hinein, dann viel kleingehackte schwarze Trüffeln und schon hat man eine zähflüssige Masse mit höchst intensivem Trüffelaroma in einer herrlichen Cremigkeit, die den Gaumen schlotzig auskleidet. Köstlich!


Als Predessert reichte man Mandarinenvariationen (Schnitz, Meringue und Keks) mit Quarkschaum und Eisenkraut. Die leicht bittere Mandarine spielt mit ein paar süßen Krümeln am Boden des Tellers. Der Quarkschaum nimmt das Aroma des Eisenkrauts dankbar an. Der Abwechslungsreichtum in den Texturen - schaumig, cremig, eisig, knusprig - setzt einen belebenden Akzent. Prima!


Ähnlich fein die Mangovariationen - eine Mangoscheibe mit Ingwer in paniertem Teigbällchen, im Fett ausgebacken, dazu eine vanillierte Mango-Milchreiskugel, "alma mater"-Mangoeis und leicht vanilliertes "Baumwurzeleis". Sehr intensiver Mangogeschmack, die Vanille setzt ein paar aromatische Tupfer hinzu, das Teigbällchen schön kross, die Milchreiskugel knusprig-cremig, das wirkt spielerisch, leicht und vielschichtig.


Zum Abschluss noch sehr feine Mignardises: Eine mandelig-marzipanige Praline, eine Schokopraline mit Passionsfruchtfüllung, ein Mandarinenmarshmellow, schokolierte Haselnüsse, Weihnachtskekse, leicht salzige Blätterkrokantpralinen und - als einziges etwas weniger gelungen - ein Joghurt-Erdbeer-Pralinchen.


Am Ende des Abends kam Herr Klein an den Tisch. Er wollte sehr genau wissen, wie wir das Menü fanden. "Bitte kein höfliches Lob, sagen Sie ehrlich, was Sie richtig gut fanden und was Ihnen nicht so gut gefallen hat. Wir sind hier ja noch am Anfang und wollen uns kontinuierlich verbessern." Zehn Minuten sprachen wir - und als ich mich nach viel Lob an die kleineren Kritikpunkte beim Steinbutt und der Stopfleber mit Rote Bete-Eis herantastete, bedankte sich der Chef und gab unumwunden zu, dass dies auch aus seiner Sicht die Schwachpunkte des Herbstmenüs seien. Respekt! Anschließend war er auf Nachfrage sogar noch bereit, mir haarklein zu beschreiben, wie er das mit dem Trüffel-Cappuccino gemacht hat. Damit ich auch was lerne. Ein bescheidener, leiser Mann. Und ein großer Koch, der sicher auch die Villa Lalique bald in die Königsklasse der Dreisterner bringen wird. Viel fehlte schon im letzten Herbst nicht mehr.


Deckel drauf - falls der Igel wieder mal zu kritisch war

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