Willi Igel - Egly-Ouriet Brut Grand Cru Millesime 2002 VV
Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Egly-Ouriet Brut Grand Cru Millesime 2002 Vieilles Vignes, Grands Terroirs d´Ambonnay
Deutschland kann man abschreiben! Flughäfen, Bahnhöfe, Philharmonien, Konferenzzentren, egal worum es geht, wir packen es nicht. Meistens liegts am Brandschutz, zum Teil sind aber auch einfach nur die Krötentunnel nicht vierspurig ausgebaut.
Deutschland kann abschreiben! Selbst unser Song für den ja doch sehr nutzenfreien Eurovionswettbewerb ist vom Vorjahressieger abgekupfert. Und nun schreibt der Hersteller von Pferdelasagne für seine Schachteln auch noch die Zutatenliste einer Rinderlasagnepackung ab. Ist doch zum Wiehern! Ich warte nur noch darauf, dass Seepferdchen in meinen Fischstäbchen und Pferdeäpfel in meinem Obstsalat sind. Abgeschrieben haben weiterhin Guttenberg, Koch-Mehrin, Chatzmakakis und jetzt vielleicht auch noch Schavan. Eigene geistige Leistung scheint in der politischen Klasse fast verpönt zu sein. Bei Brüderle reichts sowieso nur zu Doktorspielen. Da stimmte abends am Tresen etwas nicht mit dem Brandschutz. Oder sollte man Brandyschutz sagen?
Das deutsche Fernsehen kopiert sich ohnehin nur noch selbst, da wird gebätschellert bis der Arzt kommt, der dann natürlich Doktor Bob heißt und die ausgeschiedenen Kandidatinnen gleich ins Dschungelrecycling geben kann. Bevor er dann als Ringarzt beim Promiboxen dieselben Kandidatinnen erneut betreuen darf. Wer erinnert sich angesichts dessen nicht an Loriots genialen Sketch mit der Astronautennahrung, die nach Verdauen und Ausscheiden erneut aufgenommen werden kann, „sie, äh, zirkuliert, sozusagen“. Ja, so ists auch mit der Scheiße im deutschen Fernsehen, die Konzepte und die Teilnehmenden zirkulieren zwischen Sendern, Staffeln und Formaten.
Aber wie kann das eigentlich sein, dass dieselbe Nation fasziniert beobachtet, wie unzutreffend als „Prominente“ bezeichnete Opfer Känguruhoden, Maden oder Ziegenaugen futtern, sich aber maßlos ereifert, wenn sie selbst mal falsch etikettiertes, ansonsten aber völlig unbedenkliches Pferdefleisch verabreicht bekommt. Wer sich wochenlang an den kulinarischen Qualen anderer erfreut, soll gerne auch mal Hundefutter statt Rinderhack ins Fertigfresserchen gematscht bekommen, damit habe ich kein Problem, in diesem Land der Sozialspanner, der sensationsgeilen Konsumenten televisionärer Tiernahrung, der Lügner, Betrüger, Täuscher und Pferdemetzger.
Ob die Krise auch den Weinbau erfassen wird? Der Bernkasteler Doktor zittert inzwischen schon um seinen Titel. Die Promotion von Dr. Deinhard ist unauffindbar und der Domdechant Werner wird sich mal mit der Frage auseinandersetzen müssen, wo eigentlich in Hofheim ein Dom stünde an dem er herumdekantieren könnte. Kleiner Tipp, man hat das Ding in Kölle gelassen. Es sei denn, man hängte dem Dom ein kleines Perignon an die Fersen. Aber damit wäre man ja in der Champagne?
Auch eine Idee, trinken wir mal das Original, einen Jahrgangschampagner aus bestem Hause, den 2002er von Egly-Ouriet. Aus alten Reben der besten Lagen um Ambonnay gekeltert, natürlich alles aus Grand Cru-Parzellen.
Und da ist alles echt, das riecht man sofort, die kreidige Mineralität macht einen Panthersprung aus dem Grand Cru-Riedel in die Igelschnauze! Toastige Noten, Lindenblüten, eingekochte Aprikosen, frisch geröstetes Brioche. Auch ein ganz klein wenig braune Butter. Birnig, voll, eine sehr klassische Nase eines riesengroßen Champagners!
Am Gaumen weinig, cremige Textur, sehr feine aber enorm kräftige nussige Note, eher aus der Walnuss als auf der Haselnuss. Dezente Röstaromen, birnige, ganz leicht ankaramellisierte Frucht. Noch immer sehr jung, er wurde erst vor drei Monaten degorgiert, das merkt man. Reste von Hefe, die Perlage ist zwar fein- und kleinperlig, doch kräftig. Tolle Reife des Grundweines, die 98 Monate auf der Hefe machen sich bemerkbar. Extrem lang im Abgang, unglaublich differenziert. Ganz hinten bleiben vor allem die Nussigkeit und eine kraftvolle mineralisch-kreidige Chardonnayaromatik. Sehr großer Champagner, viel besser, tiefer, voller und balancierter geht das nicht. Große Intensität, unfassbar druckvoll und, gerade hinten heraus dennoch sehr, sehr fein. Vielschichtig, tiefgründig und monumental!
97 von 100 Willipunkten.
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