Willi Igel, Boschis, Pira e Figli, Barolo Cannubi 1996
Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Chiara Boschis, Pira e Figli, Barolo Cannubi 1996
Gerade haben die im Radio ernsthaft darüber berichtet, dass irgendsoein Verkehrspolitikerkongress diskutiert, warum die Autofahrer heute so gereizt sind und beim geringsten Anlass viel härter aufeinander losgehen als früher. Verroht die Menschheit?
Nö! Früher war Autofahren eben weniger nervend. Damals vor der Währungsreform. Aber seitdem hat sich viel geändert:
- Egal wie lang und oft es sich staut, die Engstelle wird nicht ausgebaut. Obwohl es mehr KfZ-Steuereinnahmen als je zuvor gibt, plus mehr Mineralölsteuereinnahmen als je zuvor und einen Rekordstand an Einnahmen aus Bußgeldern wegen der Überschreitung von Verboten, die lediglich zur Erzielung von Einnahmen aus Bußgeldern verhängt worden sind.
- Oder warum ist auf der achtzig Jahre alten Autobahn zwischen Köln und Bonn nach 75 Jahren ihrer Existenz erstmals eine Geschwindigkeitsbegrenzung verhängt worden? Wegen "Lärmschutz"! Obwohl die KfZ heute leiser sind als je zuvor? Und obwohl jeder, der da heute wohnt, schon wusste, dass da eine Autobahn ist, als er hinzog.
- Und warum haben die Städte bei steigenden Einwohnerzahlen immer weniger Parkplätze? Sieht da keiner die Notwendigkeit auch Stellplätze für die KfZ der neuen Bürger und deren Gäste vorzusehen? Während jeder Gastronom, der eine Kneipe betreibt, für die von den Gästen theoretisch benötigten öffentlichen Parkplätze eine Abgabe zahlen muss, selbst wenn solche Parkplätze nicht vorhanden sind?
- In den Städten werden die Straßen auch noch enger gebaut. Verkehrsberuhigung! Deren höchste Form, so dachte ich immer, ist der Stau. Stimmt nicht, den kann man noch steigern durch den Kollaps!
- Oder was genau bringt die Stadt Bonn und die Bundesautobahnverwaltung auf die Idee, alle drei Bonner Rheinbrücken gleichzeitig zu sanieren? Ist das eine faktische Wiederteilung der Republik entlang des Rheines, Wiederherstellung der alten französischen Rheinprovinz? Oder wirklich nur Dummheit? Oder Schikane? Oder eine Marketingnummer der Amphicar-Industrie? Wieviel Stau wird das generieren, welche volkswirtschaftlichen Kosten zeitigen, wieviele Nervenzusammenbrüche?
- Und woran liegt es, dass es in Köln keine "grüne Welle" gibt. Ich meine, die Stadt hat ein Verkehrssystem, das aus Ringstraßen und Ausfallstraßen besteht, die diese Ringstraßen sternförmig schneiden. Sollte es da nicht möglich sein, dass man ENTWEDER auf den Ringstraßen ODER auf den Ausfallstraßen eine "grüne Welle" installiert? Zumindest in eine Richtung? Auf den Ausfallstraßen morgens stadteinwärts, abends stadtauswärts? Vielleicht geht sowas mit etwas Nachdenken sogar auf Ringstraßen und Ausfallstraßen gleichzeitig?
- Überhaupt, warum gibt es in meiner Stadt immer weniger Parkplätze? Die werden vernichtet, durch Bäume, Rasenfläschen etc. ersetzt ("Straßenbegleitgrün", die haben sogar einen ihrer Depperlnamen dafür!) oder halt durch Radwege. Die baut man - ungelogen - auch zur Autobahn hinaus, weil da ja jeder Radfahrer mal hin will - jedenfalls wenn er mal prominent in den Verkehrshinweisen im Radio erwähnt werden möchte.
- Aber ich war ja bei den verschwindenden Parkplätzen. Ich habe so den Eindruck, dass für jeden Parkplatz der abgeschafft wird eine Verkehrsüberwacherin eingestellt wird. Die soll nicht störende KfW aufschreiben oder abschleppen lassen, damit der Verkehr besser läuft. Die soll Geld bringen. Wir haben da so eine, die wiegt etwa so viel, wie der Smart, in dem sie durch die Gegend fährt. Und weil sie so fett ist, kann sie auch keine weiten Wege zurücklegen. Also parkt sie in zweiter Reihe neben einem "Falschparker", der nicht stört, aber halt auch in einem der nur zur Erzielung von Bußgeld-Einnahmen verhängten völlig unsinnigen Parkverbote steht. So verursacht sie ganz legal die Verkehrsbehinderung, um den aufzuschreiben, der den Verkehr nicht behindert, sich aber formal illegal verhält.
UND DA FRAGEN DIE, WARUM DIE AUTOFAHRER GEREIZTER WERDEN???
Aber wir wollen ja Anreize schaffen, dass die Leute auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, nicht wahr? Gut so! Aber auf welche? U-Bahn? Geht nicht, da liegt das Stadtarchiv drin! Flugzeug? Geht auch nicht, Wowereit! Bahn? Vielleicht, wenn die ihren Bahnhof in Stuttgart mal fertig beerdigt haben. Für das alles sind dieselben Pfeifen zuständig, die den Autoverkehr nicht organisiert bekommen...
Gut, ok, eine andere Lösung ist natürlich Alkohol am Steuer. Straßenbegleitgrüner Veltliner zum Beispiel. Auch verboten, aber wenn man sowieso immer Bußgelder zahlen muss, ist es ja irgendwann auch egal wofür. Und der Alkohol, der nimmt ja erst mal eine ganze Weile die Gereiztheit. Jedenfalls bei vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Zum Beispiel der Barolo Cannubi 1996 von Pira e Filgi. Der hat so satt Alkohol, der hilft sogar gegen die Dicke im Smart. Ab der zweiten Flasche sieht die ganz passabel aus.
Also rein ins Glas damit! Also mit dem Barolo, nicht mit dem hübschen Smartie. Und der Barolo ist von Chiara Boschis gemacht, die seit einigen zwanzig Jahren Pira e Figli auf ganz hohes Niveau gebracht hat. Sehr feine, elegante, aber nicht wirklich dezente Nase. Fleischiger Nebbiolo, leicht erdig, aber alles andere als streng oder animalisch. Unfassbar harmonisch, so dass man zwischendrin fast auf die Idee kommen könnte, es mit einem nicht ganz rebsortentypischen Bordeaux oder mit einem sehr gehobenen Kalifornier zu tun zu haben.
Am Gaumen mürbe rote Frucht, sehr, sehr spielerisch, fein, leichtfüßig. Dazu eine leicht tabakige Note, ein kräutriger Hauch und fleischextraktige Würze, die richtig viel Schmelz im Kreuz hat. Unglaublich harmonisch auch hier. Mit der Zeit immer vielschichtiger und auch expressiver. Wirkt jünger als er ist, 1996 altert im Piemont viel langsamer als 1997, das merkt man immer wieder. Am Anfang hätte man ihn fast für leicht halten können, jetzt hat er aber Druck wie Gutenberg persönlich. Diese fast gewalttätige Kraft und dabei zugleich eine solche Eleganz, das ist groß! Phantastische Länge und bis tief in den Abgang hinein mit Fülle und Komplexität unterwegs. Hinten heraus kommt erstmal eine mineralische Note hervor, etwas Teer, auch rauchige Töne sind jetzt wahrzunehmen. Dicht, opulent.
Legt mit Luft nach etwa einer halben Stunde noch einmal gewaltig zu, vor allem die Mineralität drängt sich mehr und mehr in die Mitte. Saftig, das hat Spiel und Druck. Klassebarolo! 93 von 100 Willipunkten. Wird mein persönlicher Begeisterfahrer!
Kommentare
Neulich war ich in Koblenz und wollte Zubehör für mein Fahrrad kaufen. Ich konnte mich aber nicht lange in der Stadt aufhalten, weil ich in Nastätten noch andere Dinge zu tun hatte. Kurzum: Ich hatte es eilig. Aber gerade dann, wenn man vorankommen will, weil die Zeit drängt, dann begegnen sie einem: diese Passanten, die dich aufhalten, weil sie dir den Weg versperren. Die herumstehen und endlos in die Schaufenster starren. Die so tun als hätten sie nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag ziellos in der Stadt umher zu schlendern und Gott einen lieben Mann sein zu lassen. Sie gehen nicht zur Seite, wenn du vorbei willst. Sie bleiben auf der Rolltreppe einfach stehen und gucken dich noch idiotisch an, wenn du sie nur sanft ein wenig antippst, wenn du die Treppe hinab laufen und an ihnen vorbei willst. Dann sagen die dir auch noch ins Gesicht, das sei gefährlich und daher nicht erlaubt. Da gerätst du doch in Versuchung, sie beiseite zu stoßen, diese Faulenzer. Wenn dann so einer dann noch frech guckt, dann möchtest du einem solchen Nichtstuer doch eins in die Fresse zu hauen. Diese müßig Gehenden, nein, Schlendernden kümmern sich nicht um andere. Das sind Asoziale, sage ich, Zeitverschwender und Gammler, die glauben, sie hätten die Straße für sich gepachtet, glauben, die Welt wäre zum Vergnügen da. Im Sommer machen die auch noch Stielaugen, wenn die Frauen im leichten Sommerkleid vorbeigehen. Ich möchte mal wissen, was die sich dann denken, diese Erotomanen. Wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich die nicht dulden. Ich würde Tickets ausgeben für solche, wenn die eine Einkaufsstraße betreten. Genau wie bei den Parkautomaten für Autos. Darauf wäre die Zeit für den Aufenthalt limitiert. Wenn sie die Straße verließen, würde ich das kontrollieren lassen. Und wer sich dann zu lange vor den Geschäften aufhielte, den würde ich blechen lassen. Gnadenlos. Das würde auch den Umsatz steigern. Denn ebenso machen sie sich doch in den Geschäften breit, lassen sich hinten und vorn bedienen, halten die Verkäuferinnen auf und kaufen letzten Endes doch nichts. Diese Unart des Schlenderns und des Müßigganges geht quer durch die ganze Gesellschaft. Das betrifft Junge wie Alte, Rentner wie Werktätige, Einheimische wie Fremde. Gerade in Koblenz, aber auch in den kleinen Städten in der Nähe. Als in unserer Kleinstadt vor einigen Jahren ein neues Café aufgemacht hat, da ist niemand hingegangen, weil man von außen hineinsehen konnte. Nur wenige haben es gewagt, dort schon am frühen Vormittag Kaffee zu trinken und zu frühstücken. Als wenn sie zu faul wären, den Frühstückstisch zu decken, ein Ei zu kochen und dann mit der Familie zu frühstücken, wie es sich gehört! Heute ist der Laden voll, wenn man daran vorübergeht. Und die darin sitzen, schämen sich nicht einmal dafür, sondern finden das richtig. Manchmal könnte ich platzen.