Willis Hausbesuche Heute: Giscours gegen Lascombes
Weh-Weh-Weh Willis Hausbesuche
Heute: Giscours gegen Lascombes
Duelle kennt man. Mal tritt ein Tankwagen gegen einen Kleinwagen an, wie in dem schönen Spielberg-Film „Duel“, mal schwört ein SPD-Grautier Stein- und Beinmeier, dass er die Republik besser vermerkeln kann als die Kandisbrunzlerin von der CDU. Alle sechs Wochen geht das Großmaul du Jour gegen einen der beiden ukrainischen Doktoren Klitsch-K.O., in ähnlichen Abständen wirft der Herr Spritzbrunnen aus dem Saarland bei SPD, PDS oder Linkspartei gegen irgendeinen namenlosen Herausforderer ein Spitzenamt hin. Und genau da knüpfen wir an. Auch ich war dieses Wochenende Ringrichter beim Duell zweier Roter. In der rechten Ecke, der Herausforderer, Château Giscours, drittes Gewächs. Nach verschiedenen Dopingskandalen – Pellets und Ähnliches – voll rehabilitiert, hat sich das Gut nun eine neue Chance auf einen großen Kampf verdient. In der rechten Ecke, der Titelverteidiger, oder sagen wir besser der Verteidiger des dritten Platzes in der AOC Margaux, hinter Margaux und Palmer, Château Lascombes, deuxieme grand cru classé seit 1855. Lets get ready to rumble!!!
Das erste Duell war gar keines, da trat der 1982er Lascombes aus der Imperiale nur gegen sich selbst an. Über den ganzen Abend begleiteten uns diese sechs Liter, als Tisch- und Zechwein sozusagen. Und tatsächlich war sich dieser Wein selbst der größte Gegner. Denn am Anfang wirkte er fast noch ein wenig ruppig, unzugänglich, kantig. In der Nase zwar schönes Herbstlaub und auch ein wenig Teer, zugleich reichlich Tertiäraromen, als wäre er fast schon ein wenig über den Punkt. Ganz ähnlich auch am Gaumen, Unterholz, feuchtes Laub, Teer, dazu eine Spur dunkle Frucht. Nicht schlecht aber erst einmal mit relativ wenig Charme unterwegs. Schon nach einer Viertelstunde tun sich dann allerdings ganz andere Welten
auf, viel mehr Fruchtsüße, wärmer, rotfruchtiger, regelrecht saftig. Ein klein wenig fehlt es an der Länge, zugegeben, doch wird er immer volumiger und runder. In der Nase kommt ein Hauch Veilchen dazu. Über den Abend hinweg setzt sich dieser Aufwärtstrend fort, Nase und Mund werden immer jünger und auch noch etwas kräftiger, die Frucht kommt kirschig, dicht und voll. Auch länger wird er, bleibt aber ganz hinten ein klein wenig eindimensional. Nach vier Stunden hat er eine Süße gewonnen, an die man beim ersten Schluck niemals geglaubt hätte. Ein Wein, dem man Zeit geben muss, erst recht aus diesem großen Format. 91 bis 92 von 100 Willipunkten.
Es folgte der erste Flight: Giscours 1955, Giscours 1959 und Lascombes 1961. Der 55er trumpfte mit einer grandiosen Nase auf, viel Frucht, opulent, dunkel, mineralisch, dazu auch einen Hauch metallisch. Ich habe ein paar Minuten lang nur geschnuppert, feiiiin! Am Gaumen etwas verschlossener, sogar zunächst leicht bitter, ein Hauch Tannin versperrt ihn erst einmal. Mit etwas mehr Luft kommt er viel schöner, nun stehen Kräuterwürznoten dicht an dicht an den Papillen, auch mehr Süße kommt zum Vorschein. Vor allem wird er immer länger mit richtig schöner roter Frucht im Abgang. Erst ganz hinten kann man, wenn man sorgfältig danach sucht, das leichte Bitterl noch finden. Fast eine Stunde hatte ich ihn im Glas, er wurde in dieser Zeit immer besser, immer süßer und länger. Am Ende schaffte er dann sogar noch die Neun vors Komma, 90 von 100 Willipunkten.
Der 59er zeigte sich deutlich verhaltener, knappe Nase, eher kräutrig, irgendwo zwischen Thymian und Rosmarin. Mit Luft wird das noch etwas medizinaler. Am Gaumen erst einmal sehr kräuterbetont, hinten heraus wirkt er aber etwas karg und zeigt uns einen leicht bitteren Abgang. Im Laufe der Zeit kommt eine feine Fruchtsüße heraus, das Bittere gibt sich, nun ist er deutlich harmonischer unterwegs. Insgesamt im Vergleich zum 55er ein wenig schlank. 85 von 100 Willipunkten.
Hui, der 1961er Lascombes hat mich von der ersten Sekunde an fest im Griff. Nussige Fanfare in der Nase, dazu eine satte Mineralik und ein Hauch Waldpilze. Sehr konzentrierter Duft mit ersten Tertiäraromen. Mit Luft wird er sehr schnell orangefruchtiger, würziger, sehr schöne Reife! Am Gaumen rotjohannisbeerige Fruchtsüße ohne Ende, leicht kräutrige Noten, dezent medizinal, Salbei, dazu ein ordentlicher Schlag Karamell. Mit mehr Luft wird er pikanter, geht vor allem auf das Rotfruchtige, zu dem sich ein leichter Orangeton hinzugesellt. Dazu arbeitet sich eine immer kräftiger werdende Portweinnote an die Oberfläche. Hinten heraus steht er unglaublich stabil, wunderbare Süße und wuchtige Frucht bis tief in den Abgang hinein. Wirkt deutlich jünger als er ist. Großer Stoff 93 von 100 Willipunkten.
Der erste Flight: Giscours 55, Giscours 59 und Lascombes 61
Die erste Runde ging also klar an den Lascombes! Mal sehen, ob er das im zweiten Flight halten kann. Nun wurden Giscours 1970 aus der Magnum, Lascombes 1970 und Lascombes 1964 aufgefahren. Als erstes kam der 70er Giscours ins Glas. Fast schwarze Farbe, in der Magnum kaum gealtert, ein irre jugendlicher Wein. Im Duft von einer sehr energischen Mineralität geprägt, teerig, rauchig, asphaltig, muskulös! Auch am Gaumen extrem kräftig, da dominiert zunächst eine Frucht, die man von der Nase her so präsent und vielschichtig gar nicht erwartet hätte: Kirsche, Pflaume, Saft und Kraft pur. In der Mitte dann die Mineralik aus der Nase, voll, dicht, mit viel Tiefe und Druck, was für ein Kraftprotz! Fast noch zu jung! Braucht richtig viel Luft. Kommt dann mit kerniger Würze, die toll mit der Mineralik spielt und bis tief in den Abgang hinein aufrecht stehen bleibt. Großartiger Wein! 94 bis 95 von 100 Willipunkten.
Der 1970er Lascombes kann dieses Niveau nicht halten. Geröstete Provencekräuter in der Nase, dezenter mineralischer Anklang, insgesamt eine sehr verhaltene Nase, irgendwie etwas verschleiert von einem leichten Muffton? Ich könnte mir vorstellen, dass wir vielleicht nicht die beste Flasche erwischt haben, obwohl der Wein nicht wirklich fehlerhaft war. So auch am Gaumen, irgendwie verschlossen, verhüllt, so richtig lässt er mich nicht an sich heran. Auch alles andere als lang. Kräutrig, wenig Frucht, mit viel Luft wird er etwas voller, bleibt aber eher ein Leichtgewicht. Kommt nicht an den letzten 70er Lascombes heran, den ich vor einigen Jahren hatte. In dieser Form so um die 82 von 100 Willipunkten.
In der dritten Runde kämpften Giscours 62 und 66 mit Lascombes 62. Als erstes kam Giscours 1962 ins Glas. Wieder so ein Nasenwunder! Viel Würze, Fleischextrakt im Duft, dazu wilde Kräuter, eine kraftvolle Mineralik, auch ein wenig Toffee und jede Menge margauxtypischer Kaffee. Für die Nase würde ich 99 Punkte geben. Am Gaumen auch Kaffee, rosinig bis rumrosinig, ganz anders als die Nase. Die Kräuter und die Mineralik finde ich kaum wieder, eher eine Fanfare von Sahnetoffee mit Mokka. Mit Luft wird er immer weicher, feiner, schmelziger. Sagenhaft subtil und charmant. Auch die Mineralik und die Kräuter aus der Nase kommen im Laufe der Zeit doch noch an die Papillen, bleiben aber im Verhältnis zum Toffee und zum Mokka eher im Hintergrund. Ewig lang, wenn auch im Abgang nicht der allerdruckvollste. 96 von 100 Willipunkten, der beste Wein des Abends!
Da kam der Lascombes aus 1962 nicht ganz mit. Unterholzige Nase mit einem nicht ganz definierbaren Blütenduft, vielleicht Lilien. Dazu eine dezente Moschuswürze und eine steinmehlige Mineralik. Nach einigen Minuten drängelt sich zwischen diesen Noten ein erster Hauch von Kokosschokolade hindurch, der nach und nach Besitz von der Nase ergreifen und am Ende fast in Richtung Pinacolada gehen wird.
Am Gaumen schöner Margauxton, Kaffee, ein Hauch Kakao, auch hier zunächst nur ein kleiner Einschlag von Kokos, eher schokoladige Kokosflocken. Schöne Fülle, wirkt noch sehr jung, da finden sich auch allerhand orientalische Gewürze, wie in einem indischen Dalgericht. Sehr harmonisch, tolle Fruchtsüße, wird immer jünger. Allerdings kommt mit der Zeit – ganz wie in der Nase – die Kokosnuss immer kräftiger heraus und erschlägt dann fast die anderen Aromen. Nun weniger schokoladig, eher fruchtig, die Liebhaber von Batida de Coco werden das mögen. Mir ist es am Ende ein klein wenig zu penetrant. Das kostet ihn die Neun vor dem Komma, so werden es „nur“ 89 von 100 Willipunkten.
Eher laktisch in der Nase dann der 1966er Giscours. Da findet sich auch ein Geranienton und so etwas wie Blütenpollen. Ich habe einmal in den Tropen in eine dicke Hibiskusblüte gefasst, da rochen die Igelpfoten hinterher ganz genauso. Am Gaumen steht vor der Geranie zum Glück erst einmal ein margauxiger Anklang, Kaffee, Bitterschokolade, erst dann kommt das Primelige, Vegetabile. Auf den zweiten Schluck wird er dann etwas mineralischer, das puffert die unangenehme Vegetalnote etwas ab, auch länger wirkt er nun und er ist mit mehr Fruchtsüße unterwegs. Sehr trocken aber nicht trocknend. Insgesamt geht das Geranige leider nicht weg, auch nach einer halben Stunde dominiert der Vegetalton. Deswegen nur 82 von 100 Willipunkten. Fazit der dritten Runde: Die beiden Giscours rahmen den Lascombes mittig ein – unentschieden.
Vierter Flight: Giscours 1971, Giscours 1975, Lascombes 1975. Wir begannen mit dem 71 Giscours. Schöne Reife Margauxnase, viel Kaffee, röstig, leicht minzig sogar noch, wirkt irre jung, ich hätte diesem Quadragenaire von der Nase her kaum mehr als 20 Jahre zugestanden. Die Minze und das Kräutrig-Frische kommen immer prononcierter heraus, schon wieder so ein Nasenwunder am Anfang des Flights, das hat doch jemand mit Absicht in der Dramaturgie so angelegt? Am Gaumen stark cabernetbetont, reife rote Paprika, dazu eine saftige rotjohannisbeerige Frucht. Nur im Abgang noch ein wenig tanninstreng und entsprechend etwas anstrengend. Doch das gibt sich mit mehr Luft. Jetzt wird er in seiner Rotfruchtigkeit immer süßer. Zugleich gesellt sich ein erster sehr feiner waldpilziger Ton zu den Fruchtnoten und verrät uns dann doch, dass dieser Wein mehr als die von der Nase her geschätzten zwanzig Jahre auf dem Buckel hat. Gute Länge. Bis tief in den Abgang hinein sehr charmant. Immer süßer wird er mit mehr Luft, vielleicht auch ganz leicht alkoholisch. Sehr feiner Wein. 89 von 100 Willipunkten.
Der 1975 Giscours setzte noch ein kleines Haus auf den großen Bruder aus 71. Ausladende Margauxnase, Mokka, dunkler Kakao, dazu eine kräftige Mineralik, ein zarter Blütenduft (Flieder?) und eine opulente orangerote Frucht. Am Gaumen vorne ein dezenter Kaffee, sehr dicht gepackte Mineralität, satte rote Frucht, insgesamt ungemein voll und kräftig. Das leicht Florale aus der Nase begegnet mir an den Papillen wieder, wird aber von der immer kräftiger werdenden, granitigen Mineralität zugedeckt. Irre jung, wird sicher in den nächsten Jahren noch ein wenig zulegen können. Schon im Glas deutet er das an, über 30 Minuten wird er immer besser, immer opulenter, länger und tiefgründiger. 92 von 100 Willipunkten.
Ganz anders präsentierte sich dann der 1975er Lascombes. Die reifste Nase der drei Weine dieses Flights, schönes Herbstlaub, sehr reife orangerote Frucht, unterholzige Tertiärnoten. Auch am Gaumen feine Tertiärnoten im Anklang, aber alles andere als „drüber“, sehr filigran und bestens mit einer schönen dörrfleischigen Würze verbunden, liebstöckelige Kräuternoten. Erstaunlich opulent, mit mehr Luft kommt eine geniale Süße hinzu. Wunderbar lang und dabei durchgehend mit Druck und Opulenz unterwegs. Ganz am Ende spitzt ein ganz leicht alkoholischer Stich ins Zäpfchen, der aber von der sehr expressiven Mineralität mehr und mehr abgepuffert wird. Ein wunderbarer Wein, den man auf Augenhöhe mit dem 75er Giscours oder auch eine Nasenlänge davor sehen kann. 92 bis 93 von 100 Willipunkten. Damit wird die vierte Runde ebenfalls unentschieden gewertet.
Um das sich abzeichnende Unentschieden nicht zu gefährden, ließen wir in der fünften Runde nur noch Giscours antreten, 2000er, 2002er und 2003er.
Den Anfang machte der 2000er, der, man gönnt sich ja sonst nichts, natürlich aus der Magnum auf den Tisch kam. Und, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, auch bei diesem Flight tat ich mich schwer den ersten Wein in den Mund zu nehmen, das war schon wieder so einer, wo man sich erst einmal stundenlang in der Nase verlieren konnte. Margaux at ist best – sehr viel rote Frucht, Himbeere, etwas Kaffee, dazu eine grandiose kühle Mineralik. Auch am Gaumen steht diese Mineralik im Mittelpunkt, dazu ungemein dichte dunkle Frucht, das ist nicht nur die Himbeere aus der Nase, da treten auch Heidelbeeren und schwarze Johannisbeeren hinzu. Gewaltiger Anklang, steht da kaum hinter den stärksten 2000ern der AOC zurück, nahezu auf Augenhöhe mit Margaux und Palmer. Erst ganz am Ende geht ihm der Druck ein wenig aus, im Abgang nicht ganz so nachhaltig und tief wie die beiden großen Brüder. Aber dennoch ganz großer Wein mit mächtig Zukunft! 93 von 100 Willipunkten.
Der 2002er Giscours wirkt in der Nase schon etwas reifer als der 2000er aber auch cabernetiger, grüner. Viel Paprika, leider auch etwas grün, sicherlich noch nicht ganz aus der Verschlussphase aufgetaucht, vielleicht aber auch nicht der gelungenste Jahrgang?
Am Gaumen etwas wärmer, vor allem im Anklang fast samtig, rotfruchtig. Ab der Mitte kommt dann wieder das Grüne, etwas Austere heraus. Ob sich das jemals ganz runden wird? Immerhin macht die Beatmung im Glas ihn innerhalb einer Stunde schon deutlich zahmer und gefälliger, es bleibt aber ein eher leichter, eher etwas kleinerer Wein. 86+ von 100 Willipunkten.
Zum Schluss dann noch der 2003er Giscours. Alles andere als mein Lieblingsjahrgang. In der Nase deutlich holzbetont. Dann fast pinotige, etwas zerbrechliche rote Johannisbeerfrucht, noch sehr verschlossen. Am Gaumen auch irgendwie pinotig, stark holzbetont, einerseits kräftig, andererseits aber auch ein wenig gezehrt wirkend, wie ein Rumtopf ohne die Süße. Hinten heraus extrem grün und bitter. Dies Bittere bleibt minutenlang am Gaumen. Im Bordelais gab es 2003 leider auch diese Notreife wie bei uns, mit hohen Oechslezahlen und dennoch grünen Traubenkernen. Sicherlich ist da bei diesem Jungspund auch noch die ganz normale tanninige Verschlossenheit dabei, das merkt man im Glas, wo sich das mit Luft ein wenig gibt. Das Bittere reduziert sich dadurch merklich, das Grüne bleibt aber, ich habe größere Zweifel, wie sich dieser Kamerad entwickeln wird. Im Moment sind das 84 von 100 Willipunkten.
Insgesamt ein großer Abend mit gewaltigen Weinen und einem leistungsgerecht verdienten Unentschieden. Ein herzliches Dankeschön an die Organisatorin!
Heute: Giscours gegen Lascombes
Duelle kennt man. Mal tritt ein Tankwagen gegen einen Kleinwagen an, wie in dem schönen Spielberg-Film „Duel“, mal schwört ein SPD-Grautier Stein- und Beinmeier, dass er die Republik besser vermerkeln kann als die Kandisbrunzlerin von der CDU. Alle sechs Wochen geht das Großmaul du Jour gegen einen der beiden ukrainischen Doktoren Klitsch-K.O., in ähnlichen Abständen wirft der Herr Spritzbrunnen aus dem Saarland bei SPD, PDS oder Linkspartei gegen irgendeinen namenlosen Herausforderer ein Spitzenamt hin. Und genau da knüpfen wir an. Auch ich war dieses Wochenende Ringrichter beim Duell zweier Roter. In der rechten Ecke, der Herausforderer, Château Giscours, drittes Gewächs. Nach verschiedenen Dopingskandalen – Pellets und Ähnliches – voll rehabilitiert, hat sich das Gut nun eine neue Chance auf einen großen Kampf verdient. In der rechten Ecke, der Titelverteidiger, oder sagen wir besser der Verteidiger des dritten Platzes in der AOC Margaux, hinter Margaux und Palmer, Château Lascombes, deuxieme grand cru classé seit 1855. Lets get ready to rumble!!!
Das erste Duell war gar keines, da trat der 1982er Lascombes aus der Imperiale nur gegen sich selbst an. Über den ganzen Abend begleiteten uns diese sechs Liter, als Tisch- und Zechwein sozusagen. Und tatsächlich war sich dieser Wein selbst der größte Gegner. Denn am Anfang wirkte er fast noch ein wenig ruppig, unzugänglich, kantig. In der Nase zwar schönes Herbstlaub und auch ein wenig Teer, zugleich reichlich Tertiäraromen, als wäre er fast schon ein wenig über den Punkt. Ganz ähnlich auch am Gaumen, Unterholz, feuchtes Laub, Teer, dazu eine Spur dunkle Frucht. Nicht schlecht aber erst einmal mit relativ wenig Charme unterwegs. Schon nach einer Viertelstunde tun sich dann allerdings ganz andere Welten
auf, viel mehr Fruchtsüße, wärmer, rotfruchtiger, regelrecht saftig. Ein klein wenig fehlt es an der Länge, zugegeben, doch wird er immer volumiger und runder. In der Nase kommt ein Hauch Veilchen dazu. Über den Abend hinweg setzt sich dieser Aufwärtstrend fort, Nase und Mund werden immer jünger und auch noch etwas kräftiger, die Frucht kommt kirschig, dicht und voll. Auch länger wird er, bleibt aber ganz hinten ein klein wenig eindimensional. Nach vier Stunden hat er eine Süße gewonnen, an die man beim ersten Schluck niemals geglaubt hätte. Ein Wein, dem man Zeit geben muss, erst recht aus diesem großen Format. 91 bis 92 von 100 Willipunkten.
Es folgte der erste Flight: Giscours 1955, Giscours 1959 und Lascombes 1961. Der 55er trumpfte mit einer grandiosen Nase auf, viel Frucht, opulent, dunkel, mineralisch, dazu auch einen Hauch metallisch. Ich habe ein paar Minuten lang nur geschnuppert, feiiiin! Am Gaumen etwas verschlossener, sogar zunächst leicht bitter, ein Hauch Tannin versperrt ihn erst einmal. Mit etwas mehr Luft kommt er viel schöner, nun stehen Kräuterwürznoten dicht an dicht an den Papillen, auch mehr Süße kommt zum Vorschein. Vor allem wird er immer länger mit richtig schöner roter Frucht im Abgang. Erst ganz hinten kann man, wenn man sorgfältig danach sucht, das leichte Bitterl noch finden. Fast eine Stunde hatte ich ihn im Glas, er wurde in dieser Zeit immer besser, immer süßer und länger. Am Ende schaffte er dann sogar noch die Neun vors Komma, 90 von 100 Willipunkten.
Der 59er zeigte sich deutlich verhaltener, knappe Nase, eher kräutrig, irgendwo zwischen Thymian und Rosmarin. Mit Luft wird das noch etwas medizinaler. Am Gaumen erst einmal sehr kräuterbetont, hinten heraus wirkt er aber etwas karg und zeigt uns einen leicht bitteren Abgang. Im Laufe der Zeit kommt eine feine Fruchtsüße heraus, das Bittere gibt sich, nun ist er deutlich harmonischer unterwegs. Insgesamt im Vergleich zum 55er ein wenig schlank. 85 von 100 Willipunkten.
Hui, der 1961er Lascombes hat mich von der ersten Sekunde an fest im Griff. Nussige Fanfare in der Nase, dazu eine satte Mineralik und ein Hauch Waldpilze. Sehr konzentrierter Duft mit ersten Tertiäraromen. Mit Luft wird er sehr schnell orangefruchtiger, würziger, sehr schöne Reife! Am Gaumen rotjohannisbeerige Fruchtsüße ohne Ende, leicht kräutrige Noten, dezent medizinal, Salbei, dazu ein ordentlicher Schlag Karamell. Mit mehr Luft wird er pikanter, geht vor allem auf das Rotfruchtige, zu dem sich ein leichter Orangeton hinzugesellt. Dazu arbeitet sich eine immer kräftiger werdende Portweinnote an die Oberfläche. Hinten heraus steht er unglaublich stabil, wunderbare Süße und wuchtige Frucht bis tief in den Abgang hinein. Wirkt deutlich jünger als er ist. Großer Stoff 93 von 100 Willipunkten.
Die erste Runde ging also klar an den Lascombes! Mal sehen, ob er das im zweiten Flight halten kann. Nun wurden Giscours 1970 aus der Magnum, Lascombes 1970 und Lascombes 1964 aufgefahren. Als erstes kam der 70er Giscours ins Glas. Fast schwarze Farbe, in der Magnum kaum gealtert, ein irre jugendlicher Wein. Im Duft von einer sehr energischen Mineralität geprägt, teerig, rauchig, asphaltig, muskulös! Auch am Gaumen extrem kräftig, da dominiert zunächst eine Frucht, die man von der Nase her so präsent und vielschichtig gar nicht erwartet hätte: Kirsche, Pflaume, Saft und Kraft pur. In der Mitte dann die Mineralik aus der Nase, voll, dicht, mit viel Tiefe und Druck, was für ein Kraftprotz! Fast noch zu jung! Braucht richtig viel Luft. Kommt dann mit kerniger Würze, die toll mit der Mineralik spielt und bis tief in den Abgang hinein aufrecht stehen bleibt. Großartiger Wein! 94 bis 95 von 100 Willipunkten.
Der 1970er Lascombes kann dieses Niveau nicht halten. Geröstete Provencekräuter in der Nase, dezenter mineralischer Anklang, insgesamt eine sehr verhaltene Nase, irgendwie etwas verschleiert von einem leichten Muffton? Ich könnte mir vorstellen, dass wir vielleicht nicht die beste Flasche erwischt haben, obwohl der Wein nicht wirklich fehlerhaft war. So auch am Gaumen, irgendwie verschlossen, verhüllt, so richtig lässt er mich nicht an sich heran. Auch alles andere als lang. Kräutrig, wenig Frucht, mit viel Luft wird er etwas voller, bleibt aber eher ein Leichtgewicht. Kommt nicht an den letzten 70er Lascombes heran, den ich vor einigen Jahren hatte. In dieser Form so um die 82 von 100 Willipunkten.
Dann eine sehr positive Überraschung, der 1964er Lascombes bringt für den eher mittleren Jahrgang eine wunderbar fruchtige, volle Nase mit, süßlich, likörkirschig, ein Hauch Marzipan ist auch dabei, dazu ein erster waldpilziger Tertiäreinschlag. Am Gaumen steht auch die großartige kirschige Fruchtsüße im Mittelpunkt. Vielleicht ein klein wenig alkoholisch? Aber recht voll und mit Luft legt er sogar noch über zwanzig Minuten lang kontinuierlich zu. Sehr gute Balance zwischen Süße und Würze, das Alkoholische verfliegt zum Glück, nun zeigt er sich rund und weich. Vielleicht fehlt ihm im Abgang der letzte Druck, dafür besticht die Harmonie. Wir haben ihn wohl voll auf dem Höhepunkt erwischt, allerdings nur, wer das Glas schnell geleert hat, nach einer guten halben Stunde fing er an, ein wenig abzubauen, marzipaniger und tertiäraromatischer zu werden. 88 von 100 Willipunkten. Womit die zweite Runde klar an Giscours geht, Ausgleich!
Da kam der Lascombes aus 1962 nicht ganz mit. Unterholzige Nase mit einem nicht ganz definierbaren Blütenduft, vielleicht Lilien. Dazu eine dezente Moschuswürze und eine steinmehlige Mineralik. Nach einigen Minuten drängelt sich zwischen diesen Noten ein erster Hauch von Kokosschokolade hindurch, der nach und nach Besitz von der Nase ergreifen und am Ende fast in Richtung Pinacolada gehen wird.
Am Gaumen schöner Margauxton, Kaffee, ein Hauch Kakao, auch hier zunächst nur ein kleiner Einschlag von Kokos, eher schokoladige Kokosflocken. Schöne Fülle, wirkt noch sehr jung, da finden sich auch allerhand orientalische Gewürze, wie in einem indischen Dalgericht. Sehr harmonisch, tolle Fruchtsüße, wird immer jünger. Allerdings kommt mit der Zeit – ganz wie in der Nase – die Kokosnuss immer kräftiger heraus und erschlägt dann fast die anderen Aromen. Nun weniger schokoladig, eher fruchtig, die Liebhaber von Batida de Coco werden das mögen. Mir ist es am Ende ein klein wenig zu penetrant. Das kostet ihn die Neun vor dem Komma, so werden es „nur“ 89 von 100 Willipunkten.
Eher laktisch in der Nase dann der 1966er Giscours. Da findet sich auch ein Geranienton und so etwas wie Blütenpollen. Ich habe einmal in den Tropen in eine dicke Hibiskusblüte gefasst, da rochen die Igelpfoten hinterher ganz genauso. Am Gaumen steht vor der Geranie zum Glück erst einmal ein margauxiger Anklang, Kaffee, Bitterschokolade, erst dann kommt das Primelige, Vegetabile. Auf den zweiten Schluck wird er dann etwas mineralischer, das puffert die unangenehme Vegetalnote etwas ab, auch länger wirkt er nun und er ist mit mehr Fruchtsüße unterwegs. Sehr trocken aber nicht trocknend. Insgesamt geht das Geranige leider nicht weg, auch nach einer halben Stunde dominiert der Vegetalton. Deswegen nur 82 von 100 Willipunkten. Fazit der dritten Runde: Die beiden Giscours rahmen den Lascombes mittig ein – unentschieden.
Der 1975 Giscours setzte noch ein kleines Haus auf den großen Bruder aus 71. Ausladende Margauxnase, Mokka, dunkler Kakao, dazu eine kräftige Mineralik, ein zarter Blütenduft (Flieder?) und eine opulente orangerote Frucht. Am Gaumen vorne ein dezenter Kaffee, sehr dicht gepackte Mineralität, satte rote Frucht, insgesamt ungemein voll und kräftig. Das leicht Florale aus der Nase begegnet mir an den Papillen wieder, wird aber von der immer kräftiger werdenden, granitigen Mineralität zugedeckt. Irre jung, wird sicher in den nächsten Jahren noch ein wenig zulegen können. Schon im Glas deutet er das an, über 30 Minuten wird er immer besser, immer opulenter, länger und tiefgründiger. 92 von 100 Willipunkten.
Ganz anders präsentierte sich dann der 1975er Lascombes. Die reifste Nase der drei Weine dieses Flights, schönes Herbstlaub, sehr reife orangerote Frucht, unterholzige Tertiärnoten. Auch am Gaumen feine Tertiärnoten im Anklang, aber alles andere als „drüber“, sehr filigran und bestens mit einer schönen dörrfleischigen Würze verbunden, liebstöckelige Kräuternoten. Erstaunlich opulent, mit mehr Luft kommt eine geniale Süße hinzu. Wunderbar lang und dabei durchgehend mit Druck und Opulenz unterwegs. Ganz am Ende spitzt ein ganz leicht alkoholischer Stich ins Zäpfchen, der aber von der sehr expressiven Mineralität mehr und mehr abgepuffert wird. Ein wunderbarer Wein, den man auf Augenhöhe mit dem 75er Giscours oder auch eine Nasenlänge davor sehen kann. 92 bis 93 von 100 Willipunkten. Damit wird die vierte Runde ebenfalls unentschieden gewertet.
Um das sich abzeichnende Unentschieden nicht zu gefährden, ließen wir in der fünften Runde nur noch Giscours antreten, 2000er, 2002er und 2003er.
Den Anfang machte der 2000er, der, man gönnt sich ja sonst nichts, natürlich aus der Magnum auf den Tisch kam. Und, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, auch bei diesem Flight tat ich mich schwer den ersten Wein in den Mund zu nehmen, das war schon wieder so einer, wo man sich erst einmal stundenlang in der Nase verlieren konnte. Margaux at ist best – sehr viel rote Frucht, Himbeere, etwas Kaffee, dazu eine grandiose kühle Mineralik. Auch am Gaumen steht diese Mineralik im Mittelpunkt, dazu ungemein dichte dunkle Frucht, das ist nicht nur die Himbeere aus der Nase, da treten auch Heidelbeeren und schwarze Johannisbeeren hinzu. Gewaltiger Anklang, steht da kaum hinter den stärksten 2000ern der AOC zurück, nahezu auf Augenhöhe mit Margaux und Palmer. Erst ganz am Ende geht ihm der Druck ein wenig aus, im Abgang nicht ganz so nachhaltig und tief wie die beiden großen Brüder. Aber dennoch ganz großer Wein mit mächtig Zukunft! 93 von 100 Willipunkten.
Der 2002er Giscours wirkt in der Nase schon etwas reifer als der 2000er aber auch cabernetiger, grüner. Viel Paprika, leider auch etwas grün, sicherlich noch nicht ganz aus der Verschlussphase aufgetaucht, vielleicht aber auch nicht der gelungenste Jahrgang?
Am Gaumen etwas wärmer, vor allem im Anklang fast samtig, rotfruchtig. Ab der Mitte kommt dann wieder das Grüne, etwas Austere heraus. Ob sich das jemals ganz runden wird? Immerhin macht die Beatmung im Glas ihn innerhalb einer Stunde schon deutlich zahmer und gefälliger, es bleibt aber ein eher leichter, eher etwas kleinerer Wein. 86+ von 100 Willipunkten.
Zum Schluss dann noch der 2003er Giscours. Alles andere als mein Lieblingsjahrgang. In der Nase deutlich holzbetont. Dann fast pinotige, etwas zerbrechliche rote Johannisbeerfrucht, noch sehr verschlossen. Am Gaumen auch irgendwie pinotig, stark holzbetont, einerseits kräftig, andererseits aber auch ein wenig gezehrt wirkend, wie ein Rumtopf ohne die Süße. Hinten heraus extrem grün und bitter. Dies Bittere bleibt minutenlang am Gaumen. Im Bordelais gab es 2003 leider auch diese Notreife wie bei uns, mit hohen Oechslezahlen und dennoch grünen Traubenkernen. Sicherlich ist da bei diesem Jungspund auch noch die ganz normale tanninige Verschlossenheit dabei, das merkt man im Glas, wo sich das mit Luft ein wenig gibt. Das Bittere reduziert sich dadurch merklich, das Grüne bleibt aber, ich habe größere Zweifel, wie sich dieser Kamerad entwickeln wird. Im Moment sind das 84 von 100 Willipunkten.
Insgesamt ein großer Abend mit gewaltigen Weinen und einem leistungsgerecht verdienten Unentschieden. Ein herzliches Dankeschön an die Organisatorin!
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