Vasse Felix, 1997er Margaret River Shiraz, Australien
Weh-Weh-Weh
Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Vasse Felix,
1997er Margaret River Shiraz, South Cowaramup, Western Australia
Peter Zwegat ist in Griechenland
unterwegs und macht dort Schuldnerberatung auf staatlicher Ebene. Da
muss RTL das Sommerloch auf andere Weise füllen und lässt wieder
mal die Landwirte ran. Denn wenn der Bauer wieder Frauen sucht, das
weiß man, dann ruft er bei RTL an und lässt sich bei seiner Suche
filmen. Gefilmt wird er aber nur, wenn er alliterierbar ist.
„Hühnerbauer Michael“ geht gar nicht. „Mastviehzüchter
Manuel“ ist schon besser. Mit „Brunnenbauer Bruno“ oder
„Schweinebauer Schweißbert“ nähern wir uns der Perfektion. Die
letztlich regelmäßig durch Voranstellen eines geeigneten Adjektivs
erreicht wird. Dann haben wir es mit dem „Schweigsamen
Schweinebauern Schweißbert“ oder dem „Brünstigen Brunnenbauer
Bruno“ zu tun. Vielleicht auch mit dem „Volksnahen Vogelbauern
Volkmar“. Denn einen Vogel haben die ja alle. Und genau so schön
alliterierend werden die dann in den gefühlten knapp 15 Minuten
Sendezeit zwischen Werbeinseln von der Größe Australiens mindestens
hundertfach vorgestellt, damit auch der durchschnittliche
RTL-Zuschauer sich so halbwegs merken kann, mit wem er es zu tun hat.
A propos Australien. Dort hilft dem
Bauern kein RTL und kein SAT 1 bei der Paarung. Da muss er auf
anderem Wege überzeugen. Erst recht, wenn er nicht einmal
alliteriert. Wie Vasse Felix. Der als Winzer zudem gewärtigen
müsste, in der allgemeinen Alliterationswut der Privatsender als
„Weinerlicher Weinbauer“ präsentiert zu werden. Und das zieht ja
nun wirklich nicht bei den Damen. Also müssen die Früchte der
Arbeit für den Mann sprechen. Zum Beispiel sein Margaret River
Shiraz, den er in South Cowaramup, irgendwo im Westen von Australien
anbaut und abfüllt. Vom Weinhändler meines nichtendenwollenden
Vertrauens hatte ich aus der Antiquitätenabteilung den 1997er
überreicht bekommen. Mit der Bitte um Rapport. Nun gut, ich melde
gehorsamst, das Zeug macht gleich am Anfang einen Riesenfehler –
denn da sitzt eine Plastikkapsel drauf, die selbst die billigsten
Tropfen bei Tante ALDI schamesrot anlaufen lassen würde. Na gut,
dann hätten die endlich mal eine akzeptable Farbe. Aber das ist ein
anderes Thema und der Leser weiß schon, was ich sagen will – der
erste Eindruck ist der wichtigste, auch bei Weinbauer sucht Frau. Und
da darf man dann schon eine anständige Kapsel auf die Flasche
setzen. Dicke Abzüge in der B-Note! So einer kommt auch mit
Krawattennadel und Ärmelschonern zum ersten Rendez-Vous.
Nun gut, das Plastikding fliegt in
hohem Bogen in die Ecke, der Korken sieht ja zum Glück ganz
anständig aus. Und schon bevor ich eingieße schwappt da eine
fröhliche Woge von schwarzen Früchten durch meinen
Verkostungspalast. Im Glas gesellen sich Graffitnoten hinzu. Hui, ist
der mineralisch! Richtig viel kreidiger Stein, dazu eine Spur Teer.
Hach Kerl, die nette Frucht gerät fast in den Hintergrund, so wird
das schwierig mit der Partnerinnensuche. Herr, schmeiß Charme vom
Himmel! Immerhin wirkt er elegant und fein, dieser Tropfen wenn auch
eher wie ein Männerwein. Vielleicht etwas für Weinbauer sucht Mann?
Na ja, am Gaumen könnte man das
durchaus denken. Denn da wird die Sache deutlich deftiger. Die 14
Prozent Alkohol sind hier recht aggressiv unterwegs, dominieren
bereits in der Mitte und sticheln hinten heraus im sehr langen und
extrem druckvollen Abgang immer mal wieder ein wenig am Gaumensegel
herum. Aber, Tusch und Applaus, hier isse endlich, die vermisste
Fruchtsüße. Sehr üppig läuft sie durch den Mund, etwas hellrote
Johannisbeeren, eine Spur reife, vielleicht ein wenig rumtopfige
Pflaume. Das Ganze nicht so schwarzfruchtig wie die Nase am Anfang
noch war. Eher orangerot. Das liegt daran, dass sich hier doch schon
erste Alterserscheinungen manifestieren. Deswegen hat der Stoff auch
eine tabakig-speckige Note im Gepäck, die recht prominent und
selbstbewusst im Vordergrund neben der Orange und der Johannisbeere
steht. Insgesamt wirkt er dennoch recht straff. Zumal die Alterstöne
mit mehr Zeit im Glas erfreulicherweise nicht dominanter werden,
sondern von der sich immer stärker entfaltenden Mineralität in den
Hintergrund gedrängt werden. Graffit, und so eine Art Marmorstaub –
wie das in den Steinbrüchen Ägyptens riecht, wo die Obelisken
gehauen werden. Feine Tannine dazu, die schön völlig mürbe wirken
und kaum noch daran erinnern, dass der Wein mal im Holz gelegen hat.
Sehr kräftig und wunderbar lang. Wäre der Alkohol ein Prozentchen
niedriger, könnte es ein ganz großer Wein sein. So lande ich eher
zwischen 90 und 91 Willipunkten.
Aber das ist nur eine Zwischenbilanz.
Denn die zweite Hälfte der Flasche lasse ich über Nacht stehen und
teste mal, was die zusätzliche Luft so mit dem Wein macht. Und
wieder einmal passiert etwas, mit dem man nicht rechnen konnte. Weine
sind einfach Teufel. Da trinkt man und trinkt, bringt die Leber auf
Fußball-, dann Medizinballgröße, denkt man weiß langsam, wie sich
Weine verhalten. Und dann kommt wieder so einer aus der Ecke und
macht, was er will. Über Nacht hat sich der Alkohol deutlich besser
eingebunden. So dass hinten heraus eine dunklere und dichtere Frucht
stehen bleibt. Ungestichelt. Unkratzig. Noch immer Johannisbeere,
doch jetzt fast schon schwarze statt der hellroten vom Vortag. Und
fast auch ein Hauch Brombeere. Die Mineralität hat einen halben
Schritt in den Hintergrund gemacht, kommt aber schnell wieder aus der
Deckung. Wie man generell konstatieren kann, dass dieser Tropfen noch
lebt, sich entwickelt, immer wieder mal das Gesicht verändert. Da
denkt man kurz, er breche weg in Richtung Trinkmarmelade, dann hüpft
die Mineralik wieder wie Kai aus der Kiste auf den Plan und verleiht
dem Wein eine am Vortag nicht wirklich vermutete Größe. So wären
es wohl 92 von 100 Willipunkte.
Ists der Kecke Kellermeister Kelvin
oder gar der Abgebrühte Abfüller Abner, dem wir das verdanken?
Egal, Vasse Felix muss nicht alliterieren, er muss nur abfüllen und
jede Frau von Charakter wird sich ihm zu Füßen werfen. Tu Felix
Australia, die Du kein Unterschichtenfernsehen brauchst…
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