Königsbacher Idig 2009 GG


Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt

Heute auf der Hebebühne: Christmann Königsbacher Idig 2009 GG

Kaum ein Wein hat mich in den vergangenen Jahren so sehr beschäftigt wie Christmanns Idig. Den 2002er hätte ich am liebsten auf ein Podest gestellt, ihm Denkmäler errichtet, ihn für die Nachwelt konserviert, mit einem Beipackzettel: „So, ganz genau so sollte; nein; so, ganz genau so muss großer trockener Riesling aus der Pfalz schmecken! Für alle Zeiten! Hugh, ich habe getrunken!“ Power pur, perfekte Harmonie von Frucht, Süße, Säure, Mineralik, in seiner ganzen Tiefe ungemein vielschichtig und von unendlicher Länge. In Bestform, auf dem absoluten Höhepunkt, so um 2007/2008 erreichte er 97 bis 98 von 100 Willipunkten, nicht ganz so gute oder etwas zu spät getrunkene Flaschen noch immer 93 bis 95 Willipunkte.

Abgang 2002, Aufmarsch 2003. Rumms, der Jahrgang hat zugeschlagen. Und hier fast schlimmer als irgendwo sonst. Breit, floral, bitter, seeeehr schwierig. Bei manchen blinden Proben tat ich kund, dies sei unter „Weine, die die Welt nicht braucht“ zu rechnen. Oder „den nehme ich nicht einmal geschenkt“. Dann 2004. Bis heute streiten die Gelehrten – das sind in diem Fall insbesondere mein Weinfreund Wolfgang aus Rösrath und ich – ob denn der 2002er oder der 2004er der Bessere sei. Ich will natürlich nicht immer Recht behalten, aber leider ist es auch in diesem Falle schon wieder so. Der 2002er, dies ist hiermit höchstrichterlich verkündet, bringt das kleine Eckchen zusätzlichen Schmelz mit, der ihn die Weinnase ganz knapp vorne behalten lässt. Ansonsten dem 2002er wie aus dem Gesicht geschnitten. Oder muss das heißen „aus dem Etikett geschnitten“?

Abgang 2004, Aufmarsch 2005. An sich ein Spitzenjahr. Aber bei Christmann war ich eher enttäuscht. Wie auch 2007. Von den schwierigeren Weinen in 2006 ganz zu schweigen. In diesen Jahren erfolgte eine Umstellung auf stärker biologisch ausgerichteten Weinbau. Hat den Weinen – wie so oft – erst einmal nicht so gut getan. Mein pawlowsches Appetenzverhalten „Idig, supi, her damit!“ mündete in dieser Zeit immer öfter in den Gesichtsausdruck gequälter Enttäuschung.

Und jetzt 2009. Endlich wieder Idig? Vom alten Schlag? Ja! Und nein! Der Wein ist schon wieder ganz anders geworden. Mystischer, schwerer fassbar, er führt irgendwie so eine Art Schleiertanz auf, zeigt immer nur einzelne Komponenten und deutet damit zugleich an, dass er sich zu einem ungemein komplexen Gesamtbild runden könnte… Dürfte… Müsste…!

Pfälzische Nase, soll heißen viel steinobstige Frucht, voll, leicht erdig und dennoch sehr charmant. Und noch eines: Schon im Riechkolben wird deutlich wie druckvoll dieser Wein ist. Warm, fast schon likörig selbst im Duft. Im Hintergrund allerdings turnt ein ganz leichter Unruhestifter herum. Immer mal so zwischenrein ein ganz leicht oxidativer Ton? Oder ist es eher etwas Florales? Ja, das trifft es besser.

Auch am Gaumen eine Mischung aus leicht erdig angehauchter Frucht und diesen floralen Elementen. Fast ein wenig 2003er-Feeling, zum Glück aber ohne die Bittertöne und dafür mit stabilerer Frucht. Genau das war für mich das Problem des Weinguts in den letzten Jahren – die Umstellung auf die Biodynamik ließ die Weine floraler werden, manchmal etwas bitter und im schlimmsten Fall gar leicht gezehrt. Das ist hier nicht mehr zu beobachten, das ist Idig wie einst im Mai.

Mit mehr Luft kommen in der Nase leicht kreidig-mineralische Töne hinzu. Im Mund übersetzt sich das in eine stärkere Präsenz der Frucht, auch hier untermalt von einer kreidigen Note und fast so etwas wie einem Anflug von Veltliner-Pfefferl. Eine leichte Schärfe, die nicht vom Alkohol kommt. Es ist halt ein Wein der 100 Gesichter, ein Schleiertänzer, wie der Bayon-Tempel in Angkor, eines in jede Himmelsrichtung. Und, das ist das Schönste, er lächelt den Gaumen genauso an wie die Bayon Gesichter in Kambodscha ihre Gäste. Dauernd verändert er sich, in einem aber bleibt er sich treu, das ist die Power, die er an den Gaumen bringt. Saftig, tief und unglaublich lang, da wird im Abgang das Zäpfchen von den kröftigen Händen eines Sumo-Ringers durchgewalkt. Das geht fast schon ein wenig ins Aggressive. Den Wein möchte ich in fünf, acht, zehn Jahren noch einmal probieren. Auch um zu sehen, ob er wirklich wieder an die gute Tradition der 2002er und 2004er anknüpft.

Noch immer ist reichlich im Glas. Das ist kein Wein der schnellen Schlucke, eher ein Meditationstropfen. Jetzt wird er mal für eine Weile noch veltlineresker, fast nicht mehr rebsortentypisch. Dann kommt wieder die Cremigkeit des Rieslings an die Oberfläche. Füllig, saftig, charmant, plötzlich streichelt er den Gaumen wieder, die Schärfe ist fort und er gibt sich als reiner Harmoniebolzen. Köstlich. Das verdient in diesem Zustand die hohe Bewertung von 94/100 Willipunkten, wenn auch ein klein wenig in Sorge, ob der Wein diese Vielschichtigkeit und Vielfalt tatsächlich über die Jahre transportieren wird. Wie Hebebühnenarbeiter können ja auch nicht in die Zukunft blicken.

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