Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt
Heute auf der Hebebühne: Bockenauer Felseneck, Riesling GG 2009, Weingut Schäfer-Fröhlich
Seit Jahren hört man, die Nahe sei im Kommen. So, so. Aber wo sind die neuen Sterne am Himmel? Denn Dönnhoff und Emrich-Schoenleber kann man ja nun wahrlich nicht mehr als Newcomer verkaufen, die sind seit Jahren auf sehr hohem Niveau. Irgendwann war Göttelmann mal dicht dran – da geht es in den letzten Jahren aber her wieder bergab. Kruger-Rumpf ist seit einigen Jahren auf dem Sprung, springt aber irgendwie doch nicht. Hexamer macht immer wieder einmal sensationelle Weine, tritt aber kaum irgendwo in Erscheinung. Bei denen weiß man gar nicht recht, wo sie stehen – denn dauernd zum Weingut hinter den sieben Weinbergen fahren kann man nicht und PR-mäßig sind die im Dornröschenschlaf versunken. Also Leute, hübsch ein paar Hexameter über die Meddersheimer Weine gedichtet, ein paar Informationen verschickt und ab auf die eine oder andere Weinmesse mit einem Arm voll Probeflaschen, damit man mal wieder einen Eindruck bekommt! Auch bei Diel sah es sehr gut aus, seit endlich die Tochter ran durfte – in den schwierigeren Jahrgängen 06 und 08 schien es mir dann aber doch so, als wäre es bisher vor allem ein Schönwetteraufschwung. Denn da überzeugten mich die Goldlöcher, Pittermännchen und Co. so gar nicht. Also bleiben am Ende doch nur Dönnhoff und der Emrich mit der schönen Leber?
Na ja, irgendwann hatte ich mal sehr euphorische Berichte über das Weingut Schäfer-Fröhlich in Bockenau gelesen. Ausgerechnet mit dem schwierigen Jahrgang 2003 sollte denen angeblich der Durchbruch gelungen sein. Willi Igel wäre nicht Willi Igel, wenn er solchen Verheißungen nicht auf den Grund ginge. Also habe ich ein Zwölferpaket von den 2003ern bestellt und sie im Expertenkreis blind zur Verkostung angestellt. Ein Satz mit X, der hohen Reputation wurden die Weine in keiner Hinsicht gerecht. Ich fand sie ebenso bitter, floral, breit und belanglos wie fast den gesamten Rest der 03er. Der Expertenkreis unterschrieb dies aus vollem Herzen. Dennoch, der Gedanke, dass da an der Nahe noch einer aus der Reserve kommen könnte, blieb irgendwie im Hinterkopf. Und so habe ich die Weine des Guts auch in den Folgejahren immer wieder auf Weinmessen und Verkostungen probiert. Zumal gerade jener, der den 03er von den Fröhlichs so gelobt hatte, den 04er weniger toll bewertete und auch beim 05er erst Bedenken hatte. Was soll ich sagen, der Mann ist als Antikompass brauchbar. Denn der 04er fiel deutlich besser aus als der 03er, der 05er setzte noch einen drauf - und auch danach haben die Fröhlichs eine Serie hingelegt, die sich gewaschen hat. In praktisch jedem Jahr stehen sie mit an der Spitze der Nahewinzer und oft auch recht weit vorn im gesamtdeutschen Ranking. Da mag auch geholfen haben, dass der Wettergott in 06 und 08 ein Einsehen mit Bockenau hatte und dort nicht so übel zugeschlagen hat wie andernorts. Dennoch – hier könnte sich ein Gut auf Dauer an der Spitze etabliert haben und damit tatsächlich die Antwort auf die Frage gegeben haben, woran der Aufstieg der Nahe eigentlich fest zu machen ist.
Wers nicht glaubt, möge sich ein Sixpack vom 2009er Riesling GG aus dem Felseneck ins Haus liefern lassen! Kein Streichler und kein Schmeichler, wahrlich. Eher ein Wein zum Film von Bud Spencer und Terence Hill. Weil er zuschlagen kann wie der bärtige Bärbeiß, mit Kraft und Druck. Und weil er dabei aber auch den Charme, den Witz und die Spritzigkeit des jungen Wilden mitbringt.
In der Nase würde man das erst gar nicht denken. Da ist er verhaltener, eher Autorenfilm, Wim Wenders – noch ein wenig verschlafen und träge, man wartet auf den Engel am Himmel über Bärlin. Erst mit Luft kommt ein zögerlicher grüner Apfel aus dem Hintergrund, Granny Smith. Dahinter ein Hauch floralerer Noten, dann auch eine Spur Zitronenduft. Man merkt, dass er noch deutlich zu jung ist. Das wird sich noch öffnen und weiten.
Denn am Gaumen hat er das schon getan. Da steht erst einmal ein Bud Spencer von Säure im Weg, ein dicker Packen. Deswegen nimmt man geschmacklich auch zunächst eine heftige Zitrone wahr. Dazu eine erstaunlich deutliche Kohlensäure. Nicht nur die seit Jahren immer stärker um sich greifende leichte Bläschenbildung am Glasrand, sondern regelrecht prickelnd. Wenn man mit der Zunge genau hinfasst, kann man das taktil wahrnehmen. Mit Luft gibt sich das ein wenig. Außerdem kommt dann auch Terence Hill ins Bühnenbild – das Ganze wird feiner, ausdifferenzierter, ein ordentlicher Schwung Cremigkeit flankt über die Zunge und liebkost das Zäpfchen. Der Granny Smith tritt wieder auf, dazu ein wenig Aprikose, sogar ein hauch Fruchtsüße, ohne dass das Felseneck deswegen Gefahr liefe zum gefälligen Mainstreamler zu werden. Doch die Säure bindet sich jetzt besser ein, insgesamt wird der Wein dadurch vielschichtiger, druckvoller und hinten heraus ungemein nachdrücklich. Leider auch mit einem ganz kleinen Bittertönchen im Abgang, das aber sehr im Rahmen und nur als kleiner Zwischenschnitt. Danach kommt gleich wieder die Cremigkeit, ganz leicht alkoholisch überhöht, als ewig langes, über Minuten anhaltendes Happy Ending. Und wer dem Wein Zeit gibt, wird nach einer halben Stunde feststellen, dass sich zu Frucht und Säure eine wunderbare Mineralität gesellt, die ihn noch weiter von der Spencer-Dampframme zum lächelnden Hill schiebt. 92 von 100 Willipunkten, definitiv einer der besten trockenen 2009er von der Nahe.
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