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Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 48: Reale, Castel di Sangro

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Ich wusste gar nicht, dass ich Italienisch spreche. Muss mir über Nacht zugeflogen sein. Denn Vittorio habe ich sofort verstanden. Vittorio, das war der Meccanico, der sich meiner bayerischen Hochtechnologie auf vier Rädern annahm, als sie in einem Vorort von Neapel kollabierte. Vittorio sprach „Au, au, au“ und ich verstand sofort, was das heißt: „Tja, Pech gehabt, mein Freund, denn so wie Du aussiehst hast Du von Autos keine Ahnung und bist Du mir nun ausgeliefert. Und das wird teuer, verlass Dich drauf. Damit das glaubhafter wirkt ziehe ich jetzt noch ein Weilchen eine Show ab, aber Du und ich, wir wissen beide, dass es nur Show ist.“ Boah, was ist mein Italienisch gut, denn ich hatte, wie sich zeigen sollte, genau richtig verstanden. Nun war eigentlich nur ein Reifen kaputt. Kein Wunder, denn in und um Neapel sind die Straßen ja eher als Schlaglochkongress zu betrachten denn als geeignete Unterlage für automobile Fortbewegung. Man weiß oft nicht – ist es ein Schlagloch oder

Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 47: Brooklyn Fare Chef´s Table Manhattan

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Die älteren Leser werden sich erinnern, dass ich hier im Zusammenhang mit meinem Besuch bei La Pergola in Rom vom Würdenträger berichtet habe. Der mir auf der einen oder anderen Konferenz begegnet ist, immer mit dem Hörgerät auf Umluft und einem Lächeln im Gesicht, als verstünde er wirklich noch, was um ihm herum vorgeht. Dieser Tage hat der Würdenträger seinen, tja, was denn nun, neunzigsten? Geburtstag gefeiert. Genaueres weiß man nicht, es ist lediglich überliefert, dass die Kerzen auf dem Kuchen schon ganz hübsch zusammenrücken müssen und beginnen, nach einer Obergrenze zu verlangen. Und, womit auch immer ich das verdient habe, der Würdenträger stalked mich. Na gut, nicht wirklich, aber sagen wir mal, er hält an der guten alten Tradition fest, genau die Konferenzen aufzusuchen, zu denen ich auch anreise. Diesmal wurde der Würdenträger nach New York schon im Rollstuhl angeliefert, gehen kann er nicht mehr. Chairman einer Sitzung sollte er sein. Wheelchairman, lästerte sein

Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 46: Clemens Rambichler im Sonnora

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Nun sitzt der Horst also im Heimatmuseum und hält Seehof. Wie muss man sich das wohl vorstellen? Morgens Vorfahrt im Dienstaudi in den Innenhof, Abschreiten einer Trachtenformation, die für den greisen Minister den bayrischen Defribrilliermarsch spielt? Abends beim Verlassen des Hauses spielt dann eine andere Trachtengruppe den Zapfenstreich, auf Original bayrischen Latschenkiefernzapfen? Ja, es spottet sich leicht. Aber irgendwie trifft das Ding mit der Heimat vielleicht sogar den Zeitgeist. Unsere Welt ist zusammengerückt, ist kleiner und internationaler geworden, in vielerlei Hinsicht. Wer seine Kindheit vor vierzig, fünfzig, vielleicht sogar sechzig Jahren in Deutschland erlebt hat, ist groß geworden in einer Zeit ohne Internet, ohne Google. Entsprechend eng war der Horizont. Man lebte in seinem Dorf, seiner Stadt, kannte fast jeden, das Leben war übersichtlich, ereignisarm und für unsere heutigen Begriffe unfassbar langsam. Urlaubsreisen gingen an die Nordsee, in die Alpen

Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 44: Heinz Beck, La Pergola, Rom

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„Mögen Sie lieber Fisch oder lieber Fleisch“? Fragte der Kellner in Rom den Würdenträger. Mit dem am Tisch zu sitzen ich die Ehre hatte. Der Würdenträger leitet nach einer herausragenden politischen Karriere nun das wichtigste Ministerium seines kleinen asiatischen Landes. Über Schäubles Rückzug aus dem Kabinett lächelt er nur – diese jungen Leute. Denn der Würdenträger ist ungefähr 85 Jahre alt. So ganz genau weiß man es nicht, damals gab es in seinem Land noch keine Geburtsregister. In Schäubles Alter war er noch Juniorminister. Allerdings hörte er damals noch besser. Heute trägt er nicht nur Würde, sondern auch ein Hörgerät. Das allerdings in den meisten Fällen auf Umluft gestellt ist. Was dem Tischgespräch mit dem Würdenträger kafkaeske Züge verleiht. Ach, wäre die hohe Zeit des Dadaismus doch nur noch nicht vorbei, den Mitschnitt unserer Konversation hätte ich für viel Geld an Ionesco verkaufen können. Erst einmal bekam nun aber der Kellner sein Fett weg. „Ja!“ antwortete der W

Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 44: Tim Raue

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Endlich greift mal einer durch! „Hylas und die Nymphen“ wurde abgehängt. In Manchester. Man glaubt es kaum, jahrelang sind Millionen von Besuchern achtlos an diesem ekelhaften Machwerk von John Williams Waterhouse vorbeigeschlurft und haben nicht bemerkt, dass es sich um eine widerwärtige Verherrlichung des Sexismus handelt. Zum Glück ist die Verwaltung der Manchester Art Gallery nun endlich wach geworden und hat das Ding abgeräumt. In Zeiten von MeToo eine Selbstverständlichkeit. Was ist schon Harvey Weinstein gegen ein 120 Jahre altes Bild mit nackten Nymphen? Gut, sicher, wenn man das jetzt von der Warte eines mythologisch vorgebildeten Kunsthistorikers betrachtete, dann könnte man auf die Idee kommen, dass die Nacktheit der Nymphen keinen sexistischen Hintergrund habe. Vielleicht, so könnte dieser Kunstgeschichtler mutmaßen, ist es gar nicht so, dass der Maler wenige Minuten vor dem Beginn eines wüsten, frauenverachtenden Gangbangs auf den Auslöser seiner Staffelei gedrückt hä

Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 43: Schwarzwaldstube, Traube Tonbach

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In der letzten Folge habe ich mich ja schon geoutet. Der Igel ist ein Konservativer. Jedenfalls was die Kochkunst angeht. Beim Musikgeschmack allerdings auch. Wenn ich heute das Musikfernsehen einschalte, das nicht mehr MTV heißt, sondern Deluxe Music, dann nähere ich mich relativ schnell dem Aggregatzustand der Verzweiflung. Früher war Musik ja etwas, was vor allem über die Melodie kam. Die sich im begleitenden Gesang halbwegs wiederfand, je nach Talent des Vortragenden. Heute sind mindestens dreißig Prozent der Videos Rap-Titel, gefühlt sogar zwei von dreien. Melodie Fehlanzeige. Gesungen wird auch nicht. Sondern gebrüllt. Dazu gibt’s Breakdance. Brechtanz! Heißt so, weil das zum Kotzen ist. Rap, so weiß es Willipedia, ist übrigens ein Sprechgesang, der seinen Ursprung in den amerikanischen Schwarzenghettos hat. Mit engen Bezügen zur Straßenkriminalität. Aha. Also, liebe Leute, wenn Eure Sehnsucht nach dem Ghettoleben so groß ist, dann solltet Ihr das hier nicht ins Musikferns

Weh-Geh-Weh Willis Gastro Werkstatt Heute: Vierschänkentournee Teil 42: Hotel Cheval Blanc, Restaurant 1947, Courchevel

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"In guten Jahren muss man Nebentäler trinken!" Sagt Wolfgang. In unserem Freundeskreis auch "Moselwolfgang" genannt. Weil er dort jeden Weinberg persönlich durchstiegen hat. Und seine Kinder schon im zarten Alter von fünf Jahren durch den Bremmer Calmont hat klettern lassen, um ihnen die Feinheiten der Steillagenbewirtschaftung näher zu bringen. Dazu muss man sagen, dass diese Kinder heute zwischen 15 und 25 Jahren alt sind und keine bleibenden Schäden davongetragen haben. Sie reagieren auf Ansprache recht zugewandt, sind in der Lage, vollständige Sätze zu bilden, können Subjekt, Prädikat (nein, nicht Spätlese) und Objekt auseinanderhalten und wirken wesentlich ausgeglichener und besonnener als ihr Vater. Nur mit Moselwein haben sie es nicht so. Da sag noch mal einer, wir hätten in Deutschland keine gute frühkindliche Erziehung. Aber zurück zu dem Ding mit den Nebentälern. Es ist ja so, dass Moselwolfgang ein echter 68er ist. Also heute ein Altachtundsechziger