1999er Pasanau, Finca la Planeta, Priorat



Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt


Heute auf der Hebebühne: 1999er Pasanau, Finca la Planeta, Priorat


Holland, Holland, das ist irgendwie nix für Weinigel. Wein findet man – wenn überhaupt – vielleicht in der Sauce zu irgendwelchen Muscheln, die zuvor fleißig die Schadstoffe aus den Meeren gefiltert und in sich konzentriert haben. Der Wein hilft dann, die zarten Dioxinnoten zu überspielen und den Eindruck von Schmackhaftigkeit vorzugaukeln. Ansonsten gibt’s viel Bier. Und Waffeln. Zu denen kaum ein Wein passen würde. Weil sie so fett sind und so süß, dass Kardiologen schon von Massenvernichtungswaffeln sprechen. Gibt es so nur in Holland. Dürfen die nicht exportieren. Kriegswaffelnkontrollgesetz, da wird eisern nachgehalten.


Tja und zwischendrin habe ich dann wieder mal beim Sternekoch nach trinkbarem Wein gesucht, weil der beginnende Tremor im Unterarm darauf hindeutete, dass eine längere Abstinenz zu nichts Gutem mehr führen würde. Aber, ach, die Weinkarte. So trostlos und grau wie der holländische Himmel. Gefühlt nur graue Burgunder drauf. Wenn diese Karte mal einer verzweifelt in den Wald schmeißt und kurz danach in der Zeitung steht: „Spaziergänger machten einen grausigen Fund“, dann können wir davon ausgehen, dass ausnahmsweise mal nicht eine Moorleiche, sondern eine holländische Weinkarte der Gegenstand des „Finderglücks“ war.

Da war es schon erlösend, als mir, kaum hatte ich die fettige Scholle aus Maastricht verdaut und die heimischen Scholle wieder unter den Füßen, der Weinhändler meines wohlverdienten Vertrauens ein paar wohlgereifte Flaschen überreichte und den Vorschlag machte: „Willste die mal probieren, ob die noch was taugen?“ Selten wäre das hehre Kanzlerinnenwort der Alternativlosigkeit so angebracht gewesen wie hier. „Oenologischer Rettungsschirm für ausgedorrten Igel gespannt“, titelte am nächsten Tag die BLÖD-Zeitung. Oder habe ich die Schlagzeile nur geträumt? Glaube ich nicht – denn ich habe den Untertitel noch zu deutlich in Erinnerung: „Wieder muss die deutsche Wirtschaft das Versagen von Maastricht ausbaden.“

Richtig, richtig, und das auch noch mit spanischen Werten! Denn die erste Flasche, die ich aus dem mir großzügig überlassenen Sixpack guillotinierte, war ein Spanier, der 1999er Pasanau von der Finca la Planeta im Priorat.

Der unverschämte Iberer schlug gleich mal einen Aufwärtshaken auf meine Nase. Ungemein kräftig wucherten die Aromen aus dem Glas durch den ganzen Raum. Alkoholkirschig, sehr erdig, leicht angeröstete Provencekräuter waren ebenfalls mit im Paket und dazu – jedenfalls für ein paar Minuten ein sehr eigenwilliger Ton von Estragon und Erdnusslocken. Diese zwei sehr eigenwilligen Komponenten habe ich in einer Konterflasche nicht angetroffen, waren wohl nur mal kurz auf Besuch. Und nach zwanzig Minuten hatten sie sich ohnehin wieder verflüchtigt. Die Nase wandelte sich recht schnell zu einem monolithischen Kraftwerk von röstiger Mineralität. Kaffee ist dabei, Noten, wie man sie in sehr mineralischen Bordeauxen findet, leicht teerig, und dann ein dicker Klacks von Steinmehl. So in der Art wie wir das als Kinder schon mal hergestellt haben, wenn wir sehr weiche, kreidige Steine aneinander gerieben haben.

Am Gaumen zunächst noch sehr verschlossen. Da ist noch immer ein etwas sperriges Tannin, dann dunkle, erdig-würzige Noten. Die angebratenen Provencekräuter aus der Nase finden sich wieder. Dazu viel, viel kühle Mineralität. Die 14 Prozent Alkohol verhalten sich ganz friedlich. Vor allem die Mineralität, die immer stärker in den Vordergrund drängt, puffert das gut weg. Hinten heraus erscheint er ein klein wenig kratzig-ruppig, die wirken Tannin und Kräuterrösttöne kollusiv zusammen, um den Wein bloß nicht zu charmant werden zu lassen. Die Frucht kommt erst ein wenig sparsam daher, schwarzkirschig, kühl, fein. Schon mit einem Viertelstündchen Luft gewinnt der Wein aber ganz ungemein. Die Kirsche wird immer saftiger und weicher, steht plötzlich fast gleichberechtigt neben der Mineralität. Das macht Lust auf mehr – aber erst am zweiten Tag, dieser Wein braucht auch nach zwölf Jahren noch mehr Sauerstoff als ein kurzes Bad in der Karaffe ihm geben könnte.

Tags drauf hole ich ihn aus dem Sauerstoffzelt und freue mich sofort über eine zusätzliche Note in Nase wie Mund – die Mineralität wirkt auf einmal extrem schiefrig. Kein weißes Steinmehl mehr, sondern schwarze Splitter. Gemeinsam mit der herrlich röstigen Würze gibt das einen ziemlich großen Wein ab. Die Tannine haben sich wunderbar beruhigt, sind runder geworden. Kurz der Wein ist noch ein wenig weicher, noch eine Spur voller und charaktervoller geworden. Allerdings zahlt er dafür den Preis, dass sich mit Luft sehr schnell ein erster leichter Oxidativton in die Nasennebenhöhle pirscht. Ein wunderbarer Tropfen und sicher eines der Aushängeschilder des Priorat. Mit etwa 20 Euro beim Weinhändler meines immer vollständigeren Vertrauens ein unglaubliches Schnäppchen und eine feine Alternative zu deutlich teureren Bordeaux. 92 von 100 Willipunkten.

So lasse ich mir die Transferunion gefallen. Spanien schickt Wein, wir zahlen mit unseren Lehmann-Anteilen. Lass kanzlern, Angie!

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