Wieninger, Pinot Noir Select 2006, Wien; Österreich



Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt

Heute auf der Hebebühne: Weingut Wieninger, Pinot Noir Select 2006, Wien; Österreich

„In welcher Gruppe spielt Ihr eigentlich in diesem Jahr bei der Fußball-Europameisterschaft?“ Eigentlich eine harmlose Frage, doch sollte man sie in Österreich lieber nicht stellen. Das Bergvolk vom Nordbalkan schätzt es nicht besonders, wenn man es auf seine internationale Zweitklassigkeit anspricht. Die einzige Sportart, in der man global noch vorne mitspielen kann, ist Opernball, und da läuft die Saison nur einen schlappen Abend pro Jahr.


Auch die österreichische Politik ist seit dem Tod des in Deutschland als „Alpenniebel“ bekannt gewordenen Jörg Haider ein wenig aus der Spur gekommen. Ja, selbst im Weinbau war das Land nach dem Glykolskandal der achtziger Jahre weltweit geächtet, die Winzer saßen mehrheitlich im Gefängnis. Erst nach einer spektakulären Befreiungsaktion in den Neunzigern („Ruster Ausbruch“) konnte ein Neubeginn gestartet werden. Zwanzig Jahre danach ist es an der Zeit, sich einmal einen Eindruck zu verschaffen, wo die österreichische Winzerschaft heute steht.

Versuchen wir also mal den Pinot Noir Select 2006 aus dem Weingut Wieninger. Mit der französischen Rebsortenbezeichnung versucht das Weingut Internationalität zu transportieren. Denn der Spätburgunder heißt auf dem Nordbalkan ansonsten recht platt „Blauburgunder“ – und blau wird man bei den Alkoholgehalten zum Beispiel der Wachauer Pinots ganz gerne mal. Die halten die 12,5 Prozent, die man aus der Bourgogne so kennt, für die „unerträgliche Leichtigkeit des Weins“ und setzen gerne noch zwei Prozent drauf. Nicht so der Wieninger, der begnügt sich mit 13 Prozent und verspricht damit fast schon Eleganz und Finesse.

Schnuppern wir mal rein! Hmm, das ist wirklich Pinotstoff vom Feinsten – erdbeerige Frucht, nicht vordergründig, sondern tief und nachdrücklich, in schöner Harmonie zu reiferen Noten, Waldpilzen, etwas Unterholz, Cremechampignons. Schöne Würze, die die Frucht nicht erdrückt. Auch eine Spur Fassholz scheint noch wahrnehmbar, dezent, fein, nur ein Haucherl.

Am Gaumen vorne wunderbar erdbeerig, ganz wie der Duft es verheißen hatte. Ein wenig Himbeere dazu, dann auch hier das feine Holz, kräftige Würze. Viel Schmelz, der vor allem vom Holz herrührt. Hinten heraus noch ein wenig ruppig, ein Wiener eben, ein Grantler, eine Spur bitter. Der Alkohol ist hier recht präsent, einen Stich zu kräftig. Im Abgang erst einmal rund wie unser Altkanzler, nach dreißig bis vierzig recht charmanten Sekunden bleibt dann aber vor allem dieses leichte alkoholische Stechen und ein Tick Tannin, von dem mir etwa die Hälfte reif aber zu jung und die andere Hälfte ein wenig unreif bis grün erscheint. Mal sehen, wie das mit etwas mehr Luft wird.

Eine Stunde später, der Wein hat in der Karaffe gebadet, die immer wieder mal im Kreisky geschwenkt worden ist. Und, wow, jetzt hat er die Kupplung ganz schön kommen lassen. Weicher wirkt er im Abgang, der Alkohol sticht zwar noch immer ein wenig, der ganz leicht grünholzig Touch bleibt leider auch, aber vorne und in der Mitte hat der Wein an Schmackofatzigkeit zugelegt, dass es eine Freude ist. Da ist jetzt eine volle Fruchtsüße aufgetaucht, die er vorher nur angedeutet hatte. Mit einem französischen Burgunder würde ich ihn nicht vergleichen wollen, das erinnert eher an die Spitze des Ahrtals. Ein wenig zu massiv, ein wenig zu sehr auf Holz und Alkohol, um ganz die Finesse zu erreichen, die einen Spitzenpinot so großartig macht. Ein anderer, nicht unbedingt schlechterer Stil als an der Cote d´Or, etwas bourgeoiser vielleicht, aber saftig, dicht, lang und opulent. Mit zwei, drei, vier Jahren zusätzlicher Reife wird er sicher noch etwas weicher werden, so wie man auch jetzt schon feststellen kann, dass jede weitere Stunde in der Karaffe ihn immer noch besser werden lässt. Aber trotzdem, ein kleiner Grantler wird er bleiben, da kann der Wiener nicht über seinen Schatten. Deswegen kommt keine Neun vors Komma, sondern bekommt er 88 von 100 Willipunkten.

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