Weh-Weh-Weh Willis Wein Werkstatt Heute auf der Hebebühne: Champagne Larmandier Bernier Terre de Vertus




Landung in Tegel, das Flugzeug parkt auf einer Außenposition etwa 500 Meter Luftlinie vom Terminal entfernt. Die Passagiere werden freundlich gebeten, in einen Bus zu steigen, der sie über diese weite Strecke transportieren sollte. Und, oh Wunder, der Bus schafft es, aus dem 500 Metern Luftlinie eine Wegstrecke von circa 5,8 Kilometern zu machen, quer durch die Hinterhöfe des Flughafens, die Innereien von Tegel sozusagen. Hier noch eine Girlande, dort noch ein nicht klar motivierter Umweg um ein etwa einen Kilometer langes Rasenstück. Dann eine kontemplative Pause im Nichts. Wer ein Fernglas mit sich führte, konnte am Horizont eine im Schritttempo heranrollende 737 erkennen, die der Busfahrer zur Vermeidung von Unfällen erst passieren lassen wollte. Nach etwa einer Viertelstunde war auch das gelungen und konnte die Fahrt fortgesetzt werden. Mehr als eine Dreiviertelstunde war seit der Landung vergangen, als wir endlich das rettende Ufer des Terminals erreichten. Voll der Fragen natürlich:

- Gibt es unter den Busfahrern in Tegel (und so ziemlich allen anderen Flughäfen dieser Welt) eigentlich einen Wettbewerb, wer die originellste und längste Strecke für die Wege zwischen Maschine und Terminal findet?

- Gibt es einen Ausbildungsgang zur Erlangung eines Gesellen- oder gar Meisterbriefes in der hohen Kunst des Umwegefahrens?

- Werden für die Errichtung von Spezialhindernissen auf dem Weg zum Terminal Sonderpunkte verteilt? Also zum Beispiel für kreuzenden Flugzeuge oder auch für das Passierenlassen jener Elektromobile, die in Tegel leere Gepäckpaletten von A nach B fahren - immer leere Paletten übrigens, nie volle, man fragt sich manchmal, ob diese Paletten gar nicht dem Transport von Gepäck in Tegel dienen, sondern in einer nahegelegten Fabrik hergestellt werden und einfach nur von Tegel aus als Exportartikel mit Frachtflugzeugen in alle Welt versandt werden.

- Gibt es auch eine Zeitwertung - wie lange kann ich das Eintreffen der Passagiere einer an sich pünktlich gelandeten Maschine am Terminal hinauszögern? Mit den beliebten Standards Fahrgasttreppe fehlt, Bus fehlt, abgegebenes Handgepäck muss erst aus dem Frachtraum entladen werden, zusätzliche Sicherheitskontrolle am Ausgang des Flugzeugs und natürlich, bei der Ankunft am Terminal, dem Klassiker der sich nicht öffnenden Terminaltür. Beliebig zu ergänzen vielleicht noch um die Kaffeepause des Busfahrers oder die Enteisung des Busses, gerade auch im Sommer.

- Ab wann wird eigentlich die Verlängerung des Aufenthalts am Flughafen kostenpflichtig, schließlich nehmen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender auch Zwangsgebühren. Oder es kommt zumindest der Herr Schäuble mal auf die Idee, die Zeit im geheizten Bus als Unterbringung und damit als geldwerten Vorteil besteuern zu lassen. Ganz zu schweigen von der städtischen Übernachtungs-Steuer in Berlin, die spätestens dann fällig wird, wenn die ersten Busfahrer es schaffen, den Transfer zum Terminal über die ganz Nacht hin auszudehnen.

Herrjeh, wie bekomme ich vom Schneckentempo in Tegel jetzt eine Überleitung zu Larmandier-Bernier hin? Deren Champagner sind nämlich alles andere als lahmarschig, die springen einen an, sind direkt und lebendig. Großes Kino eben! Der Terre de Vertus zum Beispiel, ein Blanc de Blancs Premier Cru Brut Nature, also ohne jede Dosage, aus dem Jahrgang 2007. Kreidige Nase, toastige Noten, briochige Anklänge, raumgreifender Duft mit feinen Zitrusfrüchten, erstaunlich opulent für einen undosierten Puristenchampagner. Sogar einen leichten Reifeton hat er schon im Gepäck.

Auch am Gaumen große Fülle, hefig-briochig, viel Toast, frische Frucht, na klar, das Zeug ist noch jung, erst im letzten Jahr degorgiert. Aber auch nussige Noten bringt er mit, viel feinen Chardonnay, cremig. Mit Luft kommen diese nussigen Elemente immer stärker heraus, daneben bleibt aber genug Raum für die kreidige Mineralik, für zitronige und sogar leicht grapefruitige Noten. Riesige Fülle, dicht, tiefgründig und auch im Abgang von furioser Komplexität.

Wieder einmal ein Champagner, der sehr gut ohne Dosagedoping auskommt, ohne dass ihm deswegen die Frucht oder die Opulenz verloren ginge. Oder die Trinkigkeit, denn das Zeug läuft rein wie nichts. Vor allem seine tolle kreidige Mineralität bleibt lange am Gaumen, dazu die Röstnussigkeit. Wunderbar balanciert, tief und körperreich. 94 von 100 Willipunkten.

Mit anderen Worten: Den kann man getrost öffnen, wenn man in Tegel endlich am Terminal angekommen ist, zur Feier des Tages!

Übrigens sah ich dieser Tage eine Werbekampagne des Hauses Pommery - so in dem Sinne, seit hunderten von Jahren würden unschuldige Champagnerflaschen bei Stapelläufen gegen Schiffe geworfen, nun werde man den Spieß endlich umdrehen. Liebe Pommerys, oder Pomeranzen, oder wie Ihr Euch so nennt, lasst mich mal ganz im Vertrauen anmerken, dass das Werfen gegen Schiffsrümpfe in meinen Augen so ungefähr das einzig Vernünftige ist, was man mit der Plempe aus Eurer Basiscuvee anfangen kann. Zum Verzehr ist sie jedenfalls nicht geeignet. Ohnehin stellt sich die Frage, wie die Pommern das mit dem Umdrehen des Spießes meinen. Wollen die jetzt nicht mehr mit Flaschen nach Schiffen, sondern mit Schiffen nach Flaschen werfen? Wäre auch eine Idee, dann wäre mit einem Ozeanriesen gleich das ganze Pommerylager ausgelöscht, zwei Millionen Fliegen mit einer Klappe. Ein kleiner Schritt für die Queen Mary, aber ein großer Schritt für die Menschheit.

Geneigter Leser, nur mal so als Hinweis, der Terre de Vertus von Larmandier Bernier kostet im Fachhandel etwa einen Zehner weniger als die Basisplempe von den Pommerülpsern und man hat etwa dreimal so viel Wein im Glas.


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